Die CDU-Vorsitzende erhielt im Bundestag eine klare Mehrheit und führt als Regierungschefin eine schwarz-rote Koalition. Allerdings fehlten Merkel aus dem Lager von Union und SPD rund 50 Stimmen.

Berlin. Dennoch werteten führende Politiker der großen Koalition Merkels Wahlergebnis als solide Basis für die Regierung.

Bei der geheimen Wahl erhielt Merkel 397 Stimmen. 202 Abgeordnete votierten gegen sie, 12 Parlamentarier enthielten sich, eine Stimme war ungültig. An der Abstimmung beteiligten sich 612 der insgesamt 614 Abgeordneten. Die Koalition aus Union und SPD verfügt über 448 Sitze, die Opposition aus FDP, Grünen und Linkspartei hat 166 Mandate. Am Wahlergebnis läßt sich ablesen, daß ein Teil der Nein-Stimmen aus dem Lager der großen Koalition, vor allem vermutlich aus den Reihen der SPD stammt.

Bundespräsident Horst Köhler überreichte der 51-Jährigen gut neun Wochen nach der Bundestagswahl ihre Ernennungsurkunde. Anschließend legte Merkel im Bundestag ihren Amtseid ab. Anders als ihr Vorgänger Gerhard Schröder (SPD) sprach sie dabei die Worte "So wahr mir Gott helfe".

Am Nachmittag wurden die 15 Bundesminister ernannt und vereidigt. Dem neuen Kabinett gehören neben Merkel acht Sozialdemokraten, fünf CDU- und zwei CSU-Mitglieder an. Nur Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) verzichtete bei dem Eid auf den Gottesbezug "So wahr mir Gott helfe".

Die Ministerinnen und Minister hatten zuvor ihre Ernennungsurkunden von Bundespräsident Horst Köhler erhalten. Er rief die neue schwarz-rote Bundesregierung dabei zu einer starken Reformpolitik auf. "Ich möchte sie zu einer nachhaltigen Politik ermutigen, die die Probleme grundlegend anpackt und Lösungen entwirft, die über eine Legislaturperiode hinaus reichen", sagte Köhler. Dem neuen Kabinett gehören sechs Frauen und zehn Männer an.

Schröder war der erste, der Merkel zu ihrer Wahl gratulierte. Er hatte angekündigt, er werde für die CDU-Chefin stimmen. Als einer der ersten Staatschefs gratulierte Rußlands Präsident Wladimir Putin der neuen Bundeskanzlerin. Auch der französische Staatspräsident Jacques Chirac und der spanische Ministerpräsident Jose Luis Rodríguez Zapatero übermittelten Glückwünsche.

Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) sprach von einem "hervorragenden Ergebnis": "Noch nie hat ein deutscher Bundeskanzler so viele Stimmen bekommen wie Angela Merkel." SPD-Fraktionschef Peter Struck erklärte, das Ergebnis sei ein "ganz ordentlicher Anfang". Er gehe davon aus, daß die Koalition aus CDU/CSU und SPD vier Jahre halte. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) sagte: "Das ist ein starkes Signal für viele Frauen, und für manche Männer sicherlich auch."

In den Oppositionsreihen verwies man vor allem auf die Gegenstimmen. Dies sei ein deutliches Votum gegen die CDU-Chefin, sagte Grünen-Vorsitzende Claudia Roth. "Es ist ein stiller Protest, der sich da ausdrückt." FDP-Chef Guido Westerwelle betonte, daß "mehrere Dutzend" Abgeordnete aus den Reihen der Koalition Merkel die Gefolgschaft verweigerten, zeige, "wie wacklig das Regierungsgebäude ist". Linkspartei-Fraktionschef Oskar Lafontaine sagte, das Ergebnis drücke auch das schlechte Abschneiden der Union bei der Wahl und die mangelnde Unterstützung der CDU/CSU für Wolfgang Thierse (SPD) bei der Wahl der Bundestagsvizepräsidenten aus.

Nach ihrem Amtseid fuhr Merkel mit dem gesamten Kabinett ins Schloß Charlottenburg, wo die 15 Minister der schwarz-roten Regierung von Köhler ihre Ernennungsurkunden erhalten sollten. Anschließend wollten auch sie im Bundestag ihren Amtseid ablegen. Am Abend wollte sich die neue Regierung zur ersten Kabinettssitzung im Bundeskanzleramt treffen. Dabei wurden aber keine inhaltlichen Entscheidungen erwartet. Die Kabinettsrunde wollte einen "Organisationserlaß" der Bundesregierung verabschieden.

Bereits am Mittwoch bricht Merkel gemeinsam mit dem künftigen Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) zu ihrer ersten Auslandsreise als Kanzlerin nach Paris und Brüssel auf. Dabei trifft sich zunächst in Frankreich mit Staatspräsident Chirac zusammen. In Brüssel sind Gespräche mit NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer und EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso geplant.