Der Hamburger CDU-Bundestagsabgeordnete Rüdiger Kruse ist ein Gegner des Sparvorhabens, dass der Hamburger Senat im Kulturbereich plant.

Hamburg. Immer mehr Kulturschaffende und Bürger hatten sich in den letzten Tagen gegen die Sparpläne des Hamburger Senats gewandt. Um zehn Millionen Euro, hieß es, solle das Kulturbudget gekürzt werden. Auch der Hamburger CDU-Bundestagsabgeordnete Rüdiger Kruse ist ein Gegner des Sparvorhabens. Er fordert die Erhöhung des Kulturetats.

Ohne Kultur unterscheiden wir uns vom Regenwurm nur marginal. Das sollte man berücksichtigen, wenn man in die nötige Spardiskussion in Hamburg einsteigt. Die sogenannten Jesteburger Sparbeschlüsse waren schon nicht einfach, aber die Sparmaßnahmen der nächsten Jahre werden wesentlich umfangreicher. Es gibt einen klassischen Sparansatz: Alle Ressorts werden um den gleichen Prozentsatz gekürzt. Klingt zunächst gerecht, ist aber nicht klug. Es wäre so, als würde man Dicken und Dünnen gleichermaßen weniger zu essen geben, um ein allgemeines Gewichtsreduktionsziel zu erreichen. Ein sinnloses Unterfangen. Sinnvoll ist es, Prioritäten zu setzen.

Klimaschutz wegen der Krise auszusetzen wäre aberwitzig, weil der Klimawandel ja auch nicht stoppt. Bildungsinvestitionen auszusetzen wäre ebenfalls schädlich. Genauso zählt Kultur zu den notwendigen Prioritäten. Kultur wird ja von manchen immer noch als Luxus gesehen. Völlig verkehrt. So wichtig Wirtschaft auch ist, sie sichert nur das nackte Überleben, wenn vielleicht auch auf hohem Konsumniveau. Was wir darauf aufbauen, das ist es, was uns ausmacht.

Wir geben heute um die 4 Prozent, eher weniger, für Kultur aus. Gefühlt seien das aber 25 Prozent, schrieb eine Hamburger Zeitung einmal. Warum? Weil das Aufregungspotenzial von Kultur so groß ist: Nackte auf der Bühne, Beleidigung von Politikern - großes Kino. Das liebt die Boulevard-Presse. Theoretisch müssten die Medien das Schauspielhaus fördern, weil die immer so schön die Aufreger liefern.

Heute reden viele so gern von Off-Broadway, von der kreativen Kraft der Subkultur. Aber dafür braucht man Broadway, dafür braucht man die so genannte Hochkultur. In beiden Bereichen hat Hamburg Nachholbedarf. Es ist leichter, in der Krise nachzurüsten als in guten Jahren, wenn man eine immer noch solide Stadt wie Hamburg ist. Darum sollten wir in der Krise andere Städte überholen und überflügeln. So, wie es uns ansteht.

Eine Erhöhung des Kulturetats um 30 Millionen Euro wird den Anspruch Hamburgs, Kulturstadt zu werden, glaubwürdig machen. Das wäre ein großes Signal der Zuversicht. Investitionen in Kultur sind auch Investitionen in das Bild dieser Stadt. Touristen kommen nicht, weil wir eine wirtschaftlich starke Stadt sind, und die überall heftig umworbenen Spitzenkräfte der Wirtschaft überlegen es sich, wo sie arbeiten. Sie entscheiden anhand weicher Standortfaktoren, wohin es sie zieht - Kultur, Bildung (für die Kinder), Umwelt. Darum macht die Elbphilharmonie Sinn. Darum machen die Orchester Sinn. Die Theater. Die Museen. Und vieles mehr, was ein kulturelles Angebot im Kleinen wie im Großen so faszinierend und bereichernd werden lässt.

Wichtig sind allgemeine, umfassende Annäherungsmöglichkeiten. Kultur darf nicht zugangslos für breite Teile der Bevölkerung sein. Zum Menschen wird man geboren, zum Bürger wird man erzogen. Eine Republik braucht Bürger. Bürgersein ohne Kulturhaben? Das ist nicht möglich. Deshalb darf kulturelle Bildung nicht dem Zufall des familiären Umfeldes überlassen sein. Die Sicherstellung dieser kulturellen Bildung ist die vornehmste Aufgabe des Staates, gleich nach der existenziellen Grundsicherung. Also muss es ein Instrument für jedes Kind geben, Musik und Kunstunterricht auf hohem Niveau - und bitte auch Geschichte und Literatur. Unsere Stadt soll auf ihre Künstler stolz sein, und sie soll sie fordern - ihre Kunst, ihr Wissen, ihr Können zu vermitteln.

Wahre Bildung braucht Vorbilder. Im Sport ist das selbstverständlich. Ich habe in meiner Schulzeit mehrere Atom-Modelle gelernt. Alle waren falsch. Unsere Computerkurse waren nach kürzester Zeit überholt. Nichts gegen einen guten Physik- oder Computerunterricht. Aber: In der 8. Klasse habe ich Kleists "Michael Kohlhaas" und in der 10. Klasse Goethes "Faust" gelesen. Das wirkt noch heute.

Ohne die Krise könnte man meinen, dass Hamburg den Wettbewerb bei Wissenschaft und Kultur bereits verloren habe, weil die Stadt zu spät gestartet sei. Aber die Krise birgt die große, die lohnende Chance, den Rückstand wieder aufzuholen - wenn wir mutig sind und in das Wesentliche investieren. Bei der Neugestaltung des Haushaltes in der Krise muss die Stadt Signale senden. Sie muss zeigen, dass sie verstanden hat und dass die zukunftsrelevanten Bereiche gerade in Krisenzeiten gestärkt werden: Wissenschaft, Bildung, Klimaschutz und Kultur.

Rüdiger Kruse ist finanzpolitischer Sprecher der Bürgerschaft, war für die CDU im Kulturausschuss und ist seit Kurzem Mitglied des Bundestags.