An den Affären des Talkmasters David Letterman scheiden sich die Geister - und die Einschaltquoten seiner Show steigen rasant.

Washington. Mit unkomisch zerknirschten Entschuldigungen bei seinem Team und seiner Ehefrau hat der "Late Show"-Star David Letterman am Montagabend öffentlich Buße abgelegt für die über Jahrzehnte gepflegte Neigung, junge Mitarbeiterinnen zu verführen. Es tue ihm "schrecklich leid", sein Produktionsteam in diese Situation zu bringen, bemerkte Letterman (62) in seinem Monolog, auch seine Gattin Regina sei durch sein Verhalten "furchtbar verletzt" worden.

Was den Talkmaster und seinen Arbeitgeber CBS eher nicht schmerzt, sind die um ein Drittel emporgeschossenen Einschaltquoten. Auf die unstillbare Gier der Amerikaner nach feuchtwarmen Sexgeständnissen moralisch hochstehender Persönlichkeiten, Politiker, Fernsehpastoren, Hotelketten-Erbinnen oder Clowns wie Letterman, ist stets Verlass.

Begonnen hatte die jüngste Episode am Donnerstag mit David Lettermans Bericht in der Show, er sei mit seinen Büroaffären erpresst worden, habe sich zum Schein darauf eingelassen und den Schurken zur Strecke gebracht. Seine mit derben Scherzen gespickte Darstellung erinnerte manchen an die Protzerei in der amerikanischen Viagra-Fernsehwerbung; sie wurde Minuten später in der Bloggersphäre zerpflückt. Es sei alles andere als witzig, hieß es, wenn ein Multimillionär seine Machtfülle missbrauche, um abhängig beschäftigte Frauen zum Sex zu überreden oder zu erpressen.

Die Enthüllung könne in der Tat peinlich werden, sagte auch Letterman, zumal für die Frauen. Allerdings mit einem komplizenhaften Grinsen, welches das Gegenteil versprach. Letterman hat Routine in Entschuldigungen, die Quote bringen. Zuletzt musste er Sarah Palin, eines seiner Lieblingsopfer, um Verzeihung für einen sexuell getönten Witz über ihre im Teenageralter geschwängerte Tochter bitten.

Gewöhnlich gewinnt Letterman aus solchen "Mea culpa"-Auftritten neue Scherzartikel, die er über Wochen ausschlachtet. Prompt eröffnete Konkurrent Jay Leno seine Sendung mit dem Witz: "Wenn Sie heute Abend hergekommen sind, um Sex mit dem Moderator zu haben, sind Sie im falschen Studio." Während die Regenbogenpresse pflichtgemäß Lettermans "love nest", eine Suite über dem Aufnahmestudio, ausspähte und mindestens zwei der glücklich belästigten Frauen namentlich bekannt machte, gibt der mutmaßliche Erpresser den seriöseren Blättern Rätsel auf. Robert Joel Halderman (51), ein angesehener CBSNews-Produzent, der freilich zu Alkoholexzessen, Alimentesäumigkeit und überhaupt zum Schuldenmachen neigt, soll Letterman auf Zahlung von zwei Millionen Dollar erpresst haben. Halderman teilte sich einige Zeit mit Letterman die Gunst derselben Geliebten, Stephanie Birkitt (32), und wollte offenbar Rache nehmen, als diese ihm weglief. Er hinterließ ein Erpresserschreiben in Lettermans Limousine, das jener zur Staatsanwaltschaft trug. Zwei Treffen von Lettermans Anwalt mit dem Erpresser Halderman in einem New Yorker Hotel wurden aufgezeichnet. So weit die Darstellung Lettermans. "Man darf sich nicht von Kriminellen zum Opfer machen lassen", verkündete der tapfere Talkmaster am Montagabend unter dem Jubel des ihm nun erst recht ergebenen Publikums.

"Joe Halderman ist kein Erpresser", hielt dessen Anwalt, Gerald Shargel, seinerseits in Fernsehauftritten am Montag dagegen. Lettermans Geschichte enthalte "absurde" Vorwürfe gegen seinen Klienten, einen geschätzten Profi und unbescholtenen Bürger. Er freue sich darauf, den Star im Gerichtssaal ins Kreuzverhör zu nehmen. Shargels Einlassungen wirken bizarr angesichts der nicht bestreitbaren Mitschnitte vom Erpressungsversuch seines Klienten.

Aber auch Letterman, zweifellos gut beraten von seinen Anwälten, ließ in beiden Monologen das letzte Wort ungesprochen. Noch kann er nicht wissen, ob sich, vom Wohlgeruch seines Geldes angezogen, nicht noch eine ehemals Beleidigte mit einer "sexual harrassment"-Klage meldet. "Dave muss gehen", verlangte die Kolumnistin Andrea Peyser, vorausschauend und bisher als Einzige: "Wenn nicht, hat CBS den letzten Fetzen Glaubwürdigkeit verloren, nicht zu reden von allgemeingültigem Anstand."

Andere, wie der Talkshow-Pionier Dick Cavett, beglückwünschen David Letterman zu einer klugen, aggressiven Schadensbegrenzung. Lettermans Vorwärtsverteidigung habe Stil, Witz und Mannhaftigkeit bewiesen. Das Publikum, von der "Los Angeles Times" am Montag in der Warteschlange vor dem Studio befragt, sieht seinen Star ähnlich leuchten. "Er ist berühmt, mächtig - und menschlich. Na und?", sagte ein junger Mann. "Männer bleiben Männer", meinte resigniert lächelnd eine Dame. Jüngere Umfragen zeigen, dass jeder fünfte verheiratete Amerikaner Untreue zugibt, jede sechste Amerikanerin geht fremd. Tendenz stark ansteigend. Und das sind die stabilen, jedenfalls noch nicht geschiedenen Ehen.

Besonnene fragen, ob Hofnarren wie Letterman einen Amtseid oder ein Keuschheitsgelübde ablegten. Oder ob es sonst einen Kodex gebe, der sie zu ethisch-moralischer Vorbildfunktion verpflichtet. Es sind wohltuende, leider als naiv geltende Fragen.