Es ist nicht so schwer, Brot selber zu backen. Hanna-Lotte Mikuteit erzählt, wo man es lernen kann und welche Zutaten hineinkommen.

Wie das duftet! Würzig nach Schrot, dabei auch ein bisschen säuerlich. Genau so muss ein frisches Brot riechen, eins, das gerade aus dem Ofen kommt. Da möchte man am liebsten gleich eine Scheibe abschneiden, ein bisschen Butter drauf - und reinbeißen. Irmi Gutmann schüttelt den Kopf. "Am besten schmeckt es, wenn man das Brot einen Tag liegen lässt", sagt sie und holt mit ihrem langen Schieber ein weiteres Blech mit krustigen Laiben aus dem Holzofen. Sie muss es wissen, die gelernte Bäckerin backt mit zwei Kollegen seit acht Jahren fast jeden Tag in der Backstube des Freilichtmuseums Kiekeberg. Dieses Mal ist es ein Roggen-Schrotbrot, nach einem 300 Jahre alten Rezept. "Das ist was anderes, als wenn im Brotshop ein Teigling noch kurz vor Feierabend in den Ofen kommt."

Das klingt fast ein bisschen wie eine Kampfansage, auch wenn Bäckerin Gutmann das so nie sagen würde. Sie sieht sich als Bewahrerin des Handwerks. Denn: Auch wenn Bäckereiketten sich immer weiter ausbreiten und gefühlt an manchen Ecken der Stadt alle paar Meter ein Selbstbedienungsladen Brot und Brötchen feilbietet, gibt es immer mehr Menschen, "die lieber ein ordentliches Brot haben wollen". Sagt Heinz Hintelmann, stellvertretender Obermeister der Bäckerinnung und Chef der Bäckerei Heinz in Bergedorf. Er sagt auch: "Gutes Brot braucht Zeit."

Zurück in die Backstube am Kiekeberg. Mindestens drei Stunden bevor das Brot in den Ofen kommt, muss Irmi Gutmann die großen Holzöfen anfeuern. Schon am Tag vorher hat die Bäckerin, die ihr Handwerk in den 1950er-Jahren im elterlichen Betrieb in der Nordheide gelernt hatte, den Sauerteig angesetzt. "Das ist so etwas wie die Seele des Brotes." Wie sie ihn genau macht, wird nicht verraten. Nur so viel: Im sogenannten Ansatz bilden sich Essig- und Milchsäurekulturen und wilde Hefen. Dazu kommen dann Roggenschrot, Wasser, Salz und Gewürze - alles ganz natürlich, ohne Zusatzstoffe und Enzyme. Gutes Brot hat auch immer etwas mit guten Zutaten zu tun.

So richtig geht die Arbeit dann am nächsten Morgen weiter. Nicht mitten in der Nacht, wie bei den 79 klassischen Bäckereibetrieben in der Hansestadt, schließlich arbeitet sie ja in Hamburgs einziger Museumsbäckerei. Während der Ofen auf 270 Grad hochheizt, hat Gutmann - standesgemäß in weißer Bäckerjacke - in der Knetmaschine den Sauerteig mit 25 Kilogramm Bio-Roggenschrot vermengt. Der Teig muss eine gute Stunde stehen, dann wird er auf den hölzernen Backtisch gehievt. In geübten Handbewegungen wiegt die Bäckerin Portionen ab und beginnt zu kneten. Beidhändig, immer mit dem Ballen und geschlossenen Fingern. "Gelernt ist gelernt", sagt Gutmann und lächelt. "Der Kopf ist frei, die Hände arbeiten." Noch einmal platt walzen, drehen, mit der Naht nach unten landet der Teiglaib auf dem Blech. Danach steht er eine weitere Stunde "auf Gare". Insgesamt zwölf Ein-Kilo-Brote und 20 à 500 Gramm sind es in dieser Runde, später werden es noch mal so viele sein.

Die meisten Brote sind vorbestellt, das Kiekeberger Urbrot verkauft sich gut. Trotz eines Stückpreises von 5 Euro für die großen und 2,50 Euro für die kleinen Laibe. Sozusagen als Gegentrend zu den 471 Verkaufsstellen für Backwaren in Hamburg, die bei der Handelskammer inzwischen registriert sind und die ganz ohne Bäcker auskommen. Der Bedarf ist da: Rein statistisch isst jeder Deutsche 53 Kilogramm Brot pro Jahr. "300 signifikant unterschiedliche Brotsorten" existieren hierzulande, schätzt der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks, der die Brotvielfalt von der Unesco als Weltkulturerbe schützen lassen will. Es gibt den Tag des Brotes, immer am 16. Oktober, und nicht zu vergessen: die regelmäßigen Bäcker-Rankings quer durch die Republik. Ende vergangenen Jahres erst zeichnete die Zeitschrift "Feinschmecker" 600 Betriebe aus, darunter auch neun Hamburger Bäcker.

Da geht es dann schon um den Brotgenuss. "Weg von den Aufbackbrötchen, wo man nicht weiß, was drin ist", sagt auch Claudia Willgeroth, die Brotbackkurse unter anderem an der Volkshochschule leitet. "Die Teilnehmer sind auf der Suche nach dem echten Brotgeschmack", beschreibt die Fachfrau die neue Lust am Selbstgebackenen. Das Interesse ist groß. Mehr Männer als Frauen kämen, Ärzte seien genauso dabei wie Hausfrauen. "Viele wollen konkrete Tipps, wenn die ersten Versuche zu Hause nicht geklappt haben." Entscheidend sei das Kneten, aber auch Fragen nach Wassermenge, Temperatur und Mehlsorten bewegen die Amateurbäcker.

Das hat Irmi Gutmann natürlich alles im Gefühl. Nach einer Stunde öffnet sie die Ofenklappe. Inzwischen ist die Temperatur auf 220 Grad gefallen. Genau richtig. Schön braun sehen die Brote aus, mit einer dicken Kruste. "Die müssen raus", sagt die Bäckerin. Als die erste Fuhre auf dem Tisch liegt, nimmt sie eins in die Hand, klopft auf die Unterseite. "So muss das klingen. Hohl, als wenn jemand an die Tür klopft." Und es duftet! Nach frischem Brot.