Senatorin Blankau informierte sich über das neue Baugebiet. Einige Betriebe fürchten Verdrängung - sie wollen Teil des Quartiers bleiben.

Altona. Endlos lang erscheint der alte Hallenkomplex, diffus blinzelt die Sonne durch Dachfenster auf die Gruppe, die sich hier in der früheren Altonaer Güterbahnhalle um eine Stellwand versammelt hat. "Wir sind hier sozusagen im Herzstück der Neuen Mitte", sagt Harald Hempen und kreist mit der Hand über ein riesiges Luftbild des Areals. Der Regionalleiter des Immobilienunternehmens Aurelis hat heute Hamburgs Stadtentwicklungssenatorin Jutta Blankau (SPD) und Oberbaudirektor Jörn Walter zu Besuch auf dem alten Bahngelände an der Harkortstraße in Altona. Hier im südlichen Gleisbogen soll in wenigen Jahren auf größtenteils bereits brachliegenden Gewerbeflächen das zweitgrößte Wohnungsbauprojekt der Stadt realisiert werden. Rund 6 000 Wohnungen sind geplant, rund 1 700 davon im ersten Abschnitt, wo Anfang 2013 die ersten Bauarbeiter anrücken könnten. Jeweils ein Drittel der Wohnungen in beiden Abschnitten sollen nach dem Wunsch des Senats als Sozialwohnungen gebaut werden, die weiteren Drittel als Miet- und Eigentumswohnungen. Aurelis ist dabei der größte Investor im ersten Bauabschnitt.

Während das Unternehmen sich darauf bereits intensiv vorbereitet, ist der zweite Bauabschnitt der Neuen Mitte weiter von der Verlagerung des Altonaer Fernbahnhofs nach Diebsteich abhängig, wozu es immer noch keinen Vorstandsbeschluss der Deutschen Bahn AG gibt. Vor 2020 sei dabei kaum mit einer Realisierung dieses Abschnitts zu rechnen, sagt Walter.

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Doch zuvor, so der Oberbaudirektor, würden durch Aurelis die teilweise unter Denkmalschutz stehenden historischen Hallen des Güterbahnhofs umgewandelt. Kleinteiliges Gewerbe solle in die westlichen Gebäude einziehen, größere Nutzungen in den langen Hallenkomplex im östlichen Teil. Platz solle es zudem für Kunst und Kultur geben. Das werde hier der "identitätsstiftende Kern" des neuen Quartiers, sagt Walter. Doch für welchen Preis? "Wir wollen keine Verdrängung, sprechen auch mit den kleinen Betrieben, die in den alten Gebäuden noch Mieter sind", verspricht Hempen. Allerdings müsse man auch in Denkmalschutz, Brandschutz und Dämmung investieren. Da gebe es dann eben einen Spagat zwischen Kosten und günstigen Mietpreisen.

Ein Spagat, der wenige Meter weiter von der Besuchergruppe ziemlich gefürchtet ist. Dort nahe der alten Hallen stehen weitere frühere Bahngebäude, wo etliche kleine Betriebe ihre Nische gefunden habe: Architekten, eine Polsterei, ein Tonstudio, eine Tangoschule, Existenzgründer mit Minibüro. Ihre Gebäude sind, wie es bei Aurelis heißt, zum Großteil "abgängig", weil dort jetzt neu gebaut wird. Auch ein großes altes Fachwerkhaus, wo unter anderem der Architekt Carsten Dohse in einer Bürogemeinschaft arbeitet, steht auf der Abrissliste. "Wir fürchten hier doch, dass viele Betriebe verdrängt werden, weil sie die künftigen Mieten nicht zahlen können", sagt er. Gut zwei Dutzend der Klein- und Kleinstunternehmen haben sich daher jetzt zur "Interessengemeinschaft Harkortstraße" zusammengeschlossen. "Wir finden es toll, dass in der Mitte Altonas neue Wohnungen entstehen", heißt es in einem Infoschreiben der Gemeinschaft, "doch wir wären gern weiterhin Teil des Quartiers."

Ob Gebäude wie das alte Fachwerkhaus an der Harkortstraße doch noch stehen bleiben können, ist letztlich aber noch nicht endgültig entschieden: Derzeit überarbeitet die Stadtentwicklungsbehörde einen Vorentwurf des Hamburger Architekten André Poitiers zu einem generellen Masterplan, der in einigen Wochen der Öffentlichkeit vorgestellt werden soll.

Ende des Jahres oder auch Anfang 2012 wird dann der Behörde zufolge in der Bürgerschaft und der Bezirksversammlung Altona über den Masterplan zur Neuen Mitte Altona abgestimmt. Außerdem werde mit allen Beteiligten und Interessierten "konstruktiv" zusammen gearbeitet , heißt es in einer Infobroschüre der Stadtentwicklungsbehörde. "Doch davon haben wir bisher wenig gespürt", sagen die Mitglieder der Interessengemeinschaft Harkortstraße, die jetzt einen "Bestandsschutz für die gewachsenen Strukturen" fordern. Sprecher Carsten Dohse: "Warum muss man alles bereinigen, man kann doch Vorhandenes und Neues zusammenlassen."