Eine Abendblatt-Umfrage zeigt: Viele Bürger lehnen die geplante Straßenbahn ab, sind aber dennoch für den Weiterbau der Elbphilharmonie.

Hamburg. Gegen die Stadtbahn, aber für den Weiterbau der Elbphilharmonie: So lässt sich die gegenwärtige Einstellung der Hamburger zu zwei großen Städtebauprojekten zusammenfassen. 1004 Bürger hat das Psephos-Institut im Auftrag des Hamburger Abendblatts befragt. 51 Prozent sind gegen die Stadtbahn, die in ferner Zukunft den Bramfelder Dorfplatz mit dem Bahnhof Altona verbinden soll, nur 41 Prozent stimmten für das Projekt. Ganz anders bei der Elbphilharmonie, die im Unterschied zur Straßenbahn schon zum großen Teil fertig ist: Dort überwiegen die Unterstützer. 62 Prozent der Befragten plädieren für einen Weiterbau des Konzertsaals, 33 Prozent sind dagegen.

Dass die Straßenbahn mehrheitlich abgelehnt wird, dürfte besonders die GAL ärgern, die sich dieses Projekt auf die Fahnen geschrieben hat. Katharina Fegebank, Landeschefin der GAL, sagt dazu: "In fast allen Großstädten Europas rollt eine moderne Stadtbahn. Auch Hamburg muss auf dieses CO2-arme Verkehrsmittel setzen, denn einige Buslinien haben ihre Kapazitätsgrenzen längst überschritten. Diese Vorteile gilt es nun allen zu vermitteln."

Das Problem ist nur: Die Zustimmung der Bürger zur Stadtbahn schwindet. Während eine Psephos-Umfrage aus dem Jahr 1999 noch eine satte Mehrheit für die Wiedereinführung der alten Stadtbahn brachte (59 Prozent dafür, 35 Prozent dagegen), sah das vor etwa zwei Jahren schon anders aus. Nur noch 47 Prozent der Befragten hielten das Projekt für "sehr gut" oder "eher gut", fast genauso viele (45 Prozent) für "eher schlecht" oder "sehr schlecht". Nun ist aus der einstigen Zustimmung eine klare Ablehnung geworden.

Klaus-Peter Hesse, CDU-Bürgerschaftsabgeordneter und Verkehrsexperte, ficht das nicht an: "Die Zahlen stehen doch in einem nachvollziehbaren Zusammenhang. Bei der ersten Umfrage 1999 musste noch keiner Bauchschmerzen wegen der Kosten haben. Jetzt steht wegen der Finanzkrise alles auf dem Prüfstand. Die Leute, die jetzt gegen die Stadtbahn stimmen, sind im Kern gegen die Kosten der Stadtbahn." Die sind allerdings noch gar nicht genau bekannt. Was sich nach Auskunft von Hesse schon bald ändern wird: Ende Mai oder Anfang Juni sollen konkrete Zahlen vorgelegt werden.

Bis dahin wird sich wohl gerade die CDU-Wählerschaft weiterhin in Ablehnung üben. Die Psephos-Umfrage hat ergeben, dass bei den Anhängern der Christdemokraten der Widerstand gegen das Öko-Verkehrsmittel besonders groß ist: 62 Prozent votierten gegen das Vorzeigeprojekt der GAL. Klaus-Peter Hesse kann das schnell erklären: "Den CDU-Wählern sind geordnete Staatsfinanzen ganz wichtig", sagt er. Und die Kosten seien eben noch unklar. "Den Nutzen des Vorhabens stellt aber keiner infrage. Die Stadtbahn ist ein sehr schönes Projekt, aber wir kriegen es leider nicht geschenkt."

Die oppositionelle SPD kann sich über die schlechten Umfragewerte für ein wichtiges Projekt der Regierungskoalition nicht richtig freuen. Ursache: Die Sozialdemokraten haben den Bau der Straßenbahn bislang unterstützt. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Michael Neumann sagt jetzt: "Solange der Senat verheimlicht, was die Stadtbahn kosten soll, werden die Leute dem Projekt skeptisch gegenüber bleiben. Insoweit hat der Senat es in der Hand, in der Bevölkerung eine Zustimmung zur Stadtbahn zu bekommen. Wir finden das Projekt gut - aber nicht um jeden Preis."

Für Dora Heyenn, Fraktionsvorsitzende der Partei Die Linke, ist das Umfrageergebnis vor allem Ausdruck eines tiefen Misstrauens. "Nach den schlechten Erfahrungen, zum Beispiel mit der Elbphilharmonie, glauben die Bürger nicht mehr daran, dass das Projekt Straßenbahn gelingen kann", sagt sie. "Diese Regierung kündigt viel zu viel an und setzt viel zu wenig um."

Eines immerhin setzt sie um, wenn auch mit enormen Kostensteigerungen: den Bau der Elbphilharmonie. Die Psephos-Umfrage zeigt: Die Hamburger unterstützen dieses Projekt mit klarer Mehrheit. 62 Prozent sind für den Weiterbau. Die Zustimmung zieht sich durch alle Altersgruppen. Die Begeisterung ist bei den Ältesten (ab 65 Jahre) am Größten: 65 Prozent sind dafür, nur 30 Prozent dagegen. Der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Klaus-Peter Hesse findet das gut: "Es gibt doch auch gar keine Alternative zum Weiterbau, man kann da ja keine Bauruine stehen lassen."

Und sein Kollege aus der Regierungskoalition, der GAL-Fraktionschef Jens Kerstan, weist noch einmal darauf hin, wie genau die Politik den Philharmonie-Erbauern zukünftig auf die Finger sehen will: "Wir sehen, dass eine große Mehrheit der Hamburgerinnen und Hamburger diesen Konzertsaal will. Jetzt muss der Baukonzern Hochtief seinen Rückstand im Zeitplan aufholen. Gelingt ihm das nicht, wird Hochtief hohe Vertragsstrafen an die Stadt zahlen müssen." Dora Heyenn von der Linken-Fraktion hat eine andere Idee. "Wir bauen den Konzertsaal nicht und machen in die oberste Etage etwas anderes rein, was nicht so teuer ist. Das geht doch auch." Besonders für die Anhänger ihrer Partei ginge das wohl recht gut. Dort sind nur 32 Prozent für den Weiterbau des markanten Gebäudes, 68 Prozent würden das Millionenprojekt am liebsten stoppen.