Die Hamburger CDU kürt Fraktionsvorsitzenden Dietrich Wersich mit 91 Prozent zum Spitzenkandidaten. Frank Schira scheitert gegen Henri Schmidt und tritt als Kreischef von Wandsbek zurück.

Hamburg. Das Wort Leidenschaft war zumindest gefühlt das häufigste, das Dietrich Wersich am Sonnabend in seiner Bewerbungsrede auf der Landesvertreterversammlung der CDU benutzte. Es war das Einläuten des Wahlkampfs, als der 50-Jährige die Bühne im Börsensaal der Handelskammer betrat, die Delegierten kämpferisch einschwor und deutlicher denn je seine tiefe Bindung zu Hamburg erkennen ließ. Ein Auftritt, der durchaus Spuren bei den Christdemokraten hinterließ: Fast schon euphorisch sprangen sie nach der halbstündigen Rede von ihren Stühlen, applaudierten lautstark und wählten den Fraktionschef mit 91 Prozent zum Spitzenkandidaten für die Bürgerschaftswahl am 15. Februar 2015.

Vor Wersich liegt eine schwere Aufgabe. Fordert der Mediziner und Ex-Senator mit Bürgermeister Olaf Scholz immerhin jenen Politiker heraus, der Hamburg seit 2011 mit seiner SPD allein regiert. Dabei kann Wersich zumindest aus den eigenen Reihen auf breite Unterstützung bauen. Das hat die Landesvertreterversammlung gezeigt, bei der 133 von 147 Delegierten den Fraktionschef auf Listenplatz eins wählten.

„Er ist die richtige Wahl für Hamburg“, sagte Landeschef Marcus Weinberg. Wersich besitze Kompetenz und Leidenschaft, die Stadt zum Guten zu verändern. Er sei in der Lage, Probleme zu erkennen und zu analysieren, um sie schließlich mit den Menschen zu lösen.

Spekulationen um Niederlage von Frank Schira

Der von Wersich geforderte Zusammenhalt bis zur Bürgerschaftswahl bekam allerdings bereits am Sonnabend Risse: So musste der frühere Landes- und Fraktionschef Frank Schira seinen erhofften siebten Platz auf der Landesliste räumen. Er unterlag in einer Kampfabstimmung Henri Schmidt mit 69 zu 80 Stimmen. Der 31-jährige Schmidt, Mitglied im von Schira geführten CDU-Kreisvorstand Wandsbek, begründete seine Gegenkandidatur damit, dass Schira für „die größte Niederlage der CDU Hamburg“ stehe. Er hingegen symbolisiere die neue Partei. Für Schira kam die Schlappe völlig überraschend. Noch auf dem Parteitag nahm er Weinberg zur Seite und informierte ihn darüber, dass er den Vorsitz des Kreisverbands Wandsbek niederlege. Angesichts der Tatsache, dass Wandsbek mit Abstand der größte und einflussreichste Kreisverband der CDU ist, dürfte das ein parteiinternes Beben nach sich ziehen. Er sei in den Wandsbeker Gremien ebenso „konsensual“ nominiert worden wie vom 17er-Wahlausschuss der Landes-CDU, sagte Schira dem Abendblatt. „Und dann passiert so etwas.“

Viele Christdemokraten sind überzeugt, dass die Demontage Schiras offenbar seit Wochen hinter den Kulissen vorbereitet wurde. Das sei kaum möglich ohne CDU-Urgestein Karl-Heinz Warnholz, der als stellvertretender Kreisvorsitzender seit Jahren die Strippen in Wandsbek zieht und offiziell immer seine schützende Hand über Schira gehalten hatte. Der Geschasste selbst, der nun nach 18 Jahren im Parlament unfreiwillig aus der Bürgerschaft ausscheiden wird, wollte sich nicht an solchen Spekulationen beteiligen. Er sei zwar sehr enttäuscht, wolle die Geschichte aber „mit Haltung“ beenden und dennoch für ein gutes CDU-Ergebnis kämpfen, sagte der 50-Jährige.

Landeschef Weinberg hatte sich auf dem Parteitag vergeblich für Schira starkgemacht, erlebte darüber hinaus aber keine Überraschungen. Hinter Wersich kandidiert Fraktionsvize Roland Heintze, der 88 Prozent erhielt. Und wie geplant besetzen mit Friederike Föcking (Platz drei) und Marita Meyer-Kainer (Platz sechs) zwei Frauen zwei aussichtsreiche Plätze.

Hafen, Handel und Hightech - dafür soll Hamburg stehen

Wersich griff in seiner Rede diverse Themen auf. Hafen, Hochschulen, Busbeschleunigung, Baustellen, Sauberkeit, Sicherheit und Ausstattung der Polizei – Bereiche, in denen Wersich dem Senat „Mittelmäßigkeit, Ideen- und Konzeptionslosigkeit“ vorwarf. Scholz kümmere sich zu wenig um die Anliegen der Bürger. So habe etwa der Hafen Hamburg zum Tor der Welt gemacht. „Dieses Tor dürfen wir uns von niemandem zuschlagen lassen – nicht von Umweltverbänden und auch nicht von einer SPD, die keine Ideen hat“, kritisierte der 50-Jährige. Ferner habe die SPD 40 Millionen Euro in die Abschaffung der Studiengebühren gesteckt: „Aber sie hat keinen Cent übrig für mehr Qualität an den Hochschulen. Das ist falsch.“

Und nicht zuletzt strebt die CDU an, aus der Stadt eine Gründermetropole zu machen. „Wenn die Bayern landauf landab bekannt sind für Laptop und Lederhosen, so möchte ich, dass Hamburg künftig für Hafen, Handel und Hightech steht – Hamburg hoch drei, das ist die Zukunft in der Wirtschafts- und Wissenschaftspolitik“, erklärte Wersich. Immer wieder betonte er seine enge Bindung an die Stadt: „Ich bin hier groß geworden, habe hier die Schule besucht und studiert. Mir liegt Hamburg am Herzen.“ Leidenschaft statt Mittelmaß, gut statt das von Scholz geprägte Ordentlich – das sei seine Botschaft.