Die Stadtbahn ist Sympathieträgerin. Problematisch wird es, wenn die Strecke durch den eigenen Vorgarten verläuft. Ein Kommentar um das lange Zerren um die Stadtbahn.

„Es geht nicht mehr um das Ob, es geht nur noch um das Wie“, sagt Till Steffen, Verkehrspolitiker der Grünen-Bürgerschaftsfraktion. Der Optimismus des früheren Justizsenators gilt einem Lieblingsprojekt der Grünen: der Stadtbahn. Und in der Tat kann Steffen auf die vergangene Woche voller Zufriedenheit zurückblicken. Dass der Grünen-Parteitag das von Steffen maßgeblich mit entwickelte Mobilitätskonzept für Hamburg mitsamt der Forderung nach einem Referendum zur Wiedereinführung der Stadtbahn einstimmig beschlossen hat, darf noch unter der Rubrik „erwartbar“ abgebucht werden.

Doch kurz darauf tat sich Überraschendes: CDU-Fraktionschef Dietrich Wersich erklärte am Mittwoch im Abendblatt-Interview, er könne sich ebenfalls eine Volksabstimmung über einen Neustart der Stadtbahn vorstellen. Fast alle Experten seien sich einig, dass die Tram sinnvoll sei. „Aber es muss ein breites gesellschaftliches Bündnis für ein solches Projekt geben“, sagte Wersich. Wenn Steffen sich umschaut, sieht er fast nur Zustimmung – selbst dort, wo man es auf den ersten Blick nicht vermutet: Auch Handelskammer und ADAC sind grundsätzlich für das dritte schienengebundene Verkehrssystem neben U- und S-Bahn.

Nun sind die Dinge im Fall der Stadtbahn alles andere als einfach. Das wissen Steffen und Wersich selbstverständlich auch. Sicher: Die Stadtbahn, früher Straßenbahn genannt, ist die Sympathieträgerin schlechthin unter den Verkehrsmitteln. Das ist aber nur die eine Seite der Medaille. Die Stadtbahn ist zugleich, man muss es so deutlich sagen, auch eine der Untoten der Rathauspolitik, deren Wiederauferstehung schon mehrfach gefeiert wurde und die dann doch genauso häufig wieder zu Grabe getragen wurde.

Ersttäter ist der inzwischen gestorbene CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Joachim „Jo“ Becker, der im März 1991 (!) eine flammende Rede zur Wiedereinführung der 1978 abgeschafften Straßenbahn hielt und dabei medial wirkungsvoll ein Modell der alten roten Tram in die Höhe reckte. Plötzlich wollten alle die Straßenbahn wiederhaben.

Die rot-grüne Koalition leitete 2000 bereits das Planfeststellungsverfahren für das Großprojekt ein. Die erste Strecke sollte von der Innenstadt über Barmbek, Winterhude und Alsterdorf nach Steilshoop führen. Doch der neue CDU-Schill-FDP-Senat beerdigte das Projekt 2001 und entschied sich stattdessen für die U4 in die HafenCity. Es waren erneut die Grünen, die im schwarz-grünen Rathaus-Bündnis 2008 die Stadtbahn-Idee wiedererweckten. Diesmal wurde es sehr konkret. Doch gegen die Trassenführung ausgerechnet über den belebten und viel befahrenen Winterhuder Marktplatz regte sich schnell Bürgerprotest.

Nach dem Bruch des schwarz-grünen Bündnisses stoppte der damalige Bürgermeister Christoph Ahlhaus (CDU) 2010 alle Planungen. Die Stadtbahn starb ihren zweiten Tod. Und dann kam auch noch Olaf Scholz. Der holte mit der SPD und einem klaren Nein zur Stadtbahn im März 2011 die absolute Mehrheit. „Zu teuer und wenig effektiv“, lautete das Verdikt des heutigen Ersten Bürgermeisters. „Statt mit der Stadtbahn ein neues, zusätzliches System anzuschaffen, werden wir das vorhandene Bussystem ausbauen und modernisieren“, heißt es im SPD-Regierungsprogramm eindeutig. Zwei Milliarden Euro würde ein rentables Stadtbahnnetz kosten, das dann 42 Kilometer lang wäre. Geld, das die Stadt nicht habe, so Scholz, dem es aber durchaus um mehr geht. „Die Stadtbahn würde die Straßen und Stadtviertel komplett zerschneiden, und der Bau würde massivste Belästigungen über Jahre nach sich ziehen“, sagte der Bürgermeister erst im Februar dieses Jahres.

Zu Beeinträchtigungen führt zweifellos auch das von Scholz angestoßene Busbeschleunigungsprogramm, das umfangreiche Kreuzungsumbauten nach sich zieht und mit 500 Millionen Euro auch nicht gerade ein Schnäppchen ist, dafür aber komplett unsexy.

Dabei hatte auch Scholz einst das Projekt Stadtbahn mit vorangetrieben. Anfang 1995 lud die Altonaer SPD 400 Gäste zum „Altonaer Verkehrstag“ ein, um über ihre Stadtbahn-Pläne zu informieren. „Wir sehen unsere Position gestärkt“, zog ein gewisser Olaf Scholz, damals Mitglied im SPD-Kreisvorstand, anschließend Bilanz. Die Lage hat sich aus Scholz’ Sicht eben geändert, und das Letzte, was man ihm vorwerfen kann, ist, dass er ein Nostalgiker sei.

Die regierende SPD erscheint auch verkehrspolitisch als monolithischer Block. Zwar hat die Idee eines neuen Verkehrssystems auch in der SPD Sympathisanten, aber sie äußern sich (noch) nicht. Und die SPD-Senatspolitik lässt keinen Zweifel aufkommen. Das weithin unbeachtet gebliebene „Mobilitätsprogramm 2013“, das der Senat im September verabschiedet hat, erwähnt die Stadtbahn nicht einmal. Manch Freund der Stadtbahn in der SPD hofft nun auf den Verkehrsparteitag im Frühjahr, wenn über einen neuen Verkehrsentwicklungsplan diskutiert werden soll.

Die Hoffnung könnte trügerisch sein. „Es wird keine Wiederauferstehung der Stadtbahn geben“, sagt SPD-Fraktionschef Andreas Dressel kategorisch. Es gehe jetzt darum, das umzusetzen, was beschlossen sei: die U4 zu den Elbbrücken, der Ausbau der S4 nach Ahrensburg, die S21 nach Kaltenkirchen und – natürlich – das Busbeschleunigungsprogramm. Für mehr sei kein Geld da. „Wir nehmen uns nur vor, was man schaffen kann, und das schaffen wir dann“, sagt Dressel.

Den Stadtbahn-Befürwortern bleibt die direkte Demokratie. Doch ein Referendum, die unmittelbare Volksbefragung, gibt es noch nicht. Die notwendige Verfassungsänderung, für die die SPD benötigt wird, hat Dressel jedenfalls für diese Legislaturperiode schon ausgeschlossen. CDU und Grüne könnten allerdings eine Initiative mit dem Ziel eines Volksentscheids starten.

Abstrakt gibt es eine große Zustimmung für die Stadtbahn. Problematisch wird es meist, wenn die Strecke durch den eigenen Vorgarten geführt werden soll. So ist es sicherlich klug, wenn die Zukunftsagentur nexthamburg in dieser Woche online eine Abstimmung über mögliche Streckenführungen gestartet hat. Sehr langfristig kann sich sogar SPD-Mann Dressel die Stadtbahn vorstellen – „Ende der 20er-, Anfang der 30er-Jahre“. Und die Umbauten des Busbeschleunigungsprogramms seien sogar „Stadtbahn-kompatibel“.

Vielleicht hat Grünen-Politiker Steffen ja zum Teil recht: Es geht bei der Stadtbahn schon um das Wie. Nur es geht eben auch um das Wann.