Auseinandersetzung um afrikanische Flüchtlinge gewinnt an Schärfe. Innensenator Neumann will bei seiner Linie bleiben – trotz aller Proteste.

Hammerbrook/St. Pauli. Die Auseinandersetzung um das Schicksal der sogenannten Lampedusa-Flüchtlinge wird auch in der Politik mit immer härteren Bandagen ausgefochten. Der Landesvorstand der Grünen fordert Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) auf, den Flüchtlingen ein Aufenthaltsrecht aus humanitären Gründen zu erteilen. „Der Bürgermeister muss endlich seinen Innensenator Neumann, der den harten Hund gibt, an die Leine nehmen und den Flüchtlingen eine mittelfristige Perspektive geben und vor allem ein faires Verfahren ohne Hetze durch die Polizei“, sagte die Grünen-Landesvorsitzende Katharina Fegebank. „Der aktuelle Kurs des Senats ist verantwortungslos gegenüber den Flüchtlingen, ihren Unterstützern und auch der Polizei.“ Auch die Situation auf der Straße dürfe nicht weiter eskalieren. Fegebank: „Herr Scholz, springen Sie endlich über Ihren Schatten und erteilen Sie den Flüchtlingen ein Aufenthaltsrecht, zeigen Sie, dass Sie es ernst meinen mit der ‚menschlichen Metropole‘.“

Massive Kritik am Umgang der Stadt mit den Flüchtlingen übte auch die Linken-Bürgerschaftsabgeordnete Christiane Schneider. Nach mittlerweile diversen Protestaktionen mit mehreren Tausend Menschen werde nun immer klarer, dass Hamburg keinen solchen unmenschlichen Umgang mit den Flüchtlingen wolle, wie ihn Olaf Scholz vorgebe, sagte Schneider. „Wir bringen die tragische Lage der Flüchtlinge jetzt in die Bürgerschaft. Am Mittwoch werden wir in der Aktuellen Stunde Bürgermeister Olaf Scholz auffordern, den Hamburgern zu erklären, warum er diese Menschen, die hier so viel Solidarität bekommen, unbedingt ins Elend abschieben will.“

Seit Monaten tobt der Streit um den Verbleib der 300 Afrikaner, die Anfang des Jahres über Libyen und Italien nach Hamburg gekommen waren. Am Mittwoch war die Polizei auf St.Georg und St.Pauli wieder verstärkt im Einsatz und kontrollierte. Erneut wurden Personen ohne gültige Aufenthaltspapiere in Gewahrsam genommen. Die Überprüfungen waren der Anlass für die gewalttätigen Proteste am Dienstagabend rund um die Rote Flora im Schanzenviertel. Dabei waren zehn Polizisten leicht verletzt und drei Demonstranten festgenommen worden. Die Innenbehörde wollte sich nicht zu den Krawallen im Schanzenviertel äußern. Behördensprecher Frank Reschreiter teilte jedoch mit, dass Senator Michael Neumann (SPD) erfreut darüber sei, „dass sich die ersten Flüchtlinge bei der Ausländerbehörde gemeldet haben, sich auf ein rechtstaatliches Verfahren einlassen und ihren Einzelfall prüfen lassen“. Kritik an den Kontrollen wies er zurück. „Die monatelangen Verhandlungen sind gescheitert, die Papiere der Flüchtlinge sind definitiv abgelaufen. Jetzt müssen wir handeln, weil wir davon ausgehen, dass sich die Männer hier illegal aufhalten.“ Der Staat könne nicht einfach weggucken.

Bei der Ausländerbehörde an der Amsinckstraße hatte man sich auf 19 Flüchtlinge eingestellt, die am Mittwoch vorgeladen waren, um angehört zu werden. Bis zum Nachmittag kam jedoch nur einer. Nach Angaben von Behördensprecher Norbert Smekal hatte der Flüchtling, der erschienen war, bei der Anhörung angegeben, zurück nach Italien zu wollen. Er muss das Land jetzt innerhalb von 14 Tagen verlassen. Drei weitere Afrikaner schickten über ihre Anwälte einen schriftlichen Antrag auf ein Aufenthaltsrecht aus humanitären Gründen. „Wir werden jetzt an die Anwälte herantreten, um zu klären, wie wir mit den anderen Fällen umgehen“, sagte Smekal. Das Wort Fahndung benutzte er nicht. Es sei auch noch in den kommenden Tagen möglich, sich bei der Ausländerbehörde zu melden.

Unterdessen verurteilten Vertreter aller Bürgerfraktionen die Ausschreitungen. „Die Aktivisten sollten sich im Klaren sein, dass solche Aktionen den Flüchtlingen sicherlich nicht weiterhelfen“, sagte CDU-Innenexperte Kai Voet van Vormizeele. Sein Fraktionskollege Karl-Heinz Warnholz sagte: „Es kann nicht sein, dass Vermummte Druck auf den Staat ausüben und die Behörden durch Gewalt zum Nachgeben zwingen wollen.“ Er habe jedoch kein Verständnis dafür, dass sich die Flüchtlinge, die sich illegal hier aufhalten, trotz Aufforderungen nicht freiwillig bei den Behörden melden. Warnholz wird nun eine Kleine Anfrage zu den „Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Schanzenviertel“ an den Senat stellen.

Auch die integrationspolitische Sprecherin der FDP-Bürgerschaftsfraktion, Martina Kaesbach betonte: „Gewalt ist keine Lösung, auch und gerade in der Auseinandersetzung um Bleiberechte für Flüchtlinge.“ Wer als Flüchtling Asyl und Aufenthalt in Deutschland erwarte, müsse zuallererst zur Offenlegung seiner Personalien und seiner Fluchtgründe beitragen. „Deshalb ist es richtig, wenn der Senat nun versucht, dies durchzusetzen.“ Das Handeln der Behörden, insbesondere der Polizei, müsse verhältnismäßig und rechtsstaatlich verantwortbar sein. „Deshalb darf es keine verdachtsunabhängigen Kontrollen geben.“

Die evangelische Nordkirche distanziert sich ebenfalls klar von den Protesten. „Wer den Flüchtlingen helfen will, greift nicht zu gewaltsamen Mitteln, das wäre auch absurd: Vor Gewalt sind diese Menschen schließlich geflohen“, sagte Sprecherin Susanne Gerbsch. Erneut riefen Vertreter der Kirche den Senat zu Gesprächen über die Lampedusa-Flüchtlinge auf.

Am Mittwochnachmittag versammelten sich erneut mehr als 1000 Demonstranten, um gegen die Flüchtlingspolitik des Senats zu protestieren. Auch St.-Pauli-Pastor Sieghard Wilm, der in seiner Kirche 80 Afrikanern Obdach bietet, hatte sich am Nachmittag auf den Weg gemacht. „Wir hoffen und beten, dass es friedlich bleibt“, sagte er. Auch die Flüchtlinge seien entsetzt gewesen über die Krawalle. Wilm: „Sie sagen: nicht in unserem Namen.“ Inzwischen sagten die Flüchtlinge vom „FC Lampedusa“ die Teilnahme an einem Fußballturnier am Sonnabend ab. Anlass seien die zunehmenden Polizeikontrollen, teilte der Turnierveranstalter „Laut gegen Nazis“ mit. Zu dem Turnier habe sich auch eine Mannschaft der Polizei Hamburg angemeldet. Damit sei der Sportpark Öjendorf für die Flüchtlingskicker „kein sicheres Gelände“, hieß es.