CDU-Politiker Joachim Lenders zieht Bundestagskandidatur wegen “Intrigen“ zurück. Ziel der Kritik ist Parteifreund Frank Schira.

Wandsbek. Das ist ein Abgang mit einem Paukenschlag. Joachim Lenders, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), hat seine Bewerbung um die CDU-Bundestags-Direktkandidatur im Wahlkreis Wandsbek zurückgezogen. "Die Gründe für diese Entscheidung liegen in den unerträglichen, manipulativen und skandalösen Zuständen, Machenschaften und Intrigen innerhalb der Führung des CDU-Kreisverbandes Wandsbek", sagte Lenders aufgebracht.

Im Visier hat der frühere CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Joachim Lenders vor allem zwei "Parteifreunde": Den CDU-Kreisvorsitzenden Frank Schira, Ex-Partei- und Ex-Bürgerschafts-Fraktionschef, der sich selbst um die Direktkandidatur bewirbt. Und Karl-Heinz Warnholz, Schiras Stellvertreter an der Spitze des Kreisverbands und Chef des mächtigen CDU-Ortsverbands Rahlstedt.

"Herr Schira hat einen großen Anteil an den Intrigen und Machenschaften", sagte Lenders. So habe sich der CDU-Kreischef lange gegen ein zentrales Kandidaten-Hearing gewehrt, auf dem sich die Bewerber, zu denen auch der aktuelle Wandsbeker Bundestagsabgeordnete Jürgen Klimke zählt, den Fragen der Mitglieder stellen sollten. Stattdessen gab es dezentrale Veranstaltungen in den Ortverbänden. Doch in Warnholz' Rahlstedter CDU wurde nur Schira eingeladen, nicht aber Klimke und Lenders. Klimke kam trotzdem und errang in geheimer Abstimmung mit 40 zu 53 Stimmen einen Achtungserfolg. Nachdem das Hearing auf öffentlichen Druck hin dann doch stattgefunden habe, so Lenders, hätte eine Pressemitteilung des Sprechers der CDU-Bezirksfraktion für ihn "das Fass zum Überlaufen gebracht".

Wie berichtet, wird Schiras Auftritt bei dem Kandidaten-Hearing in dem Text, der an Wochenblätter versendet wurde, überschwänglich gelobt. Der CDU-Kreischef, heißt es in der Mitteilung, "überzeugte durch seine politische Kompetenz, die er sich als Landesvorsitzender der CDU und Fraktionsvorsitzender in der Bürgerschaft erworben hat". Die Konkurrenten kamen nicht so gut weg. Peinlich ist, dass der Autor des Werbetextes, Günther Brockmann, auch noch Mitarbeiter in Schiras Abgeordnetenbüro ist. Zwar hat Brockmann inzwischen um Entschuldigung gebeten, und Schira hat betont, dass er den Text nicht autorisiert habe, aber der ungünstige Einruck bleibt.

"Nach all diesen Vorkommnissen kann es kein faires Verfahren mehr geben", resümierte Lenders. Und um weiter Öl ins Feuer zu gießen, forderte Lenders den Rücktritt des kompletten Kreisvorstands, mindestens aber von Schira und Warnholz, und rief nun zur Wahl von Klimke als Direktkandidaten der CDU in Wandsbek auf. "Was Herr Lenders jetzt inszeniert, ist Theaterdonner", konterte Schira, kaum dass Lenders' Rückzug bekannt geworden war. "Ich weise die Vorwürfe in aller Form zurück." Der CDU-Kreisvorstand habe "für ein faires und transparentes Verfahren gesorgt".

Das ist also derzeit die Ton- und Sachlage im CDU-Kreisverband Wandsbek. Und so muss die Frage gestellt werden, warum bei einer eingestandenermaßen wichtigen, doch auch überschaubaren Organisationsaufgabe wie einem Wahlverfahren derart tiefe Gräben zwischen Mitgliedern einer Partei gerissen werden können. Die Antwort liegt in der jüngeren Geschichte des mit 2000 Mitgliedern größten Kreisverbands der Hamburger CDU. "Die alten Kämpfe sind wieder aufgeflammt", sagt ein Parteiinsider. Es gibt drei große Ortsverbände im Kreis Wandsbek, die sich untereinander meist nicht grün sind, die sechs kleinen Ortsverbände im Zweifel aber dominieren: Alstertal (Schiras politische Heimat), Rahlstedt und der Ortsverband Wandsbek (nicht zu verwechseln mit dem Kreisverband).

Es geht nicht um politische Inhalte, es geht um gekränkte Eitelkeiten und Postengeschacher. Der Ortsverband Wandsbek unter Vorsitz des Bürgerschaftsabgeordneten Ralf Niedmers ist im Kreisverband weitgehend isoliert. Niedmers auf der einen sowie Schira und Warnholz pflegen ihre gegenseitige Abneigung. So ist es keine Überraschung, dass Lenders, der dem Ortsverband Wandsbek angehört, den Rücktritt von Schira und Warnholz fordert. Man hält ohnehin nicht viel voneinander.

Das war nicht immer so: Als vor ein paar Jahren Schira und Warnholz bei der Wahl des Geschäftsführers der CDU-Bürgerschaftsfraktion gegeneinander antraten, stand Niedmers auf Warnholz' Seite.

Doch beim Aufstieg Schiras an die Spitze der Fraktion und später des Landesverbands stand Warnholz an seiner Seite. Die Kern-Wandsbeker um Niedmers stellten die Mitarbeit im Kreisverband weitgehend ein und waren meist sich selbst genug. Dadurch, dass der Stadtteil Wandsbek seit der Wahlreform mit Jenfeld und Marienthal einen eigenen Bürgerschafts-Wahlkreis bildet, entfiel der Zwang, sich mit den "Parteifreunden" in Rahlstedt oder Alstertal auf Kandidaten zu einigen.

Nur einmal kam es noch zu einem Konflikt: Bei der Aufstellung der Wahlkreisliste zur Bürgschaftswahl 2011 trat der Jenfelder Vorsitzende Axel Kukuk gegen Niedmers an, der knapp gewann. Insofern ist es nicht ohne Ironie, wenn der Wandsbeker Lenders jetzt zur Wahl des Jenfelders Klimke aufruft.

Lenders' Forderung, dass der Landesverband die Abstimmung über den Wandsbeker Direktkandidaten leitet, lehnt Parteichef Marcus Weinberg ab. "Ich habe Vertrauen in den Wandsbeker Kreisvorstand, dass ein fehlerfreies Verfahren über die Bühne geht", sagte Weinberg. Auf Klimkes Wunsch hin verschickt der Landesverband Bewerbungsschreiben der Kandidaten an alle im Wahlkreis wohnenden CDU-Mitglieder. Der Zweikampf zwischen Klimke und Schira am Montagabend verspricht spannend zu werden, denn die knappe Probeabstimmung in Rahlstedt deutet darauf hin, dass alte Loyalitäten vielleicht nicht mehr so viel zählen.