Elf Mitglieder der Liberalen planen, das Engagement junger Mitglieder zu fördern - durch die Abschaffung des Delegiertenprinzips.

Hamburg. Was den Grünen seit Jahrzehnten recht ist, könnte den Liberalen bald billig sein. Elf FDP-Mitglieder um den Unternehmer Dirk Ahlers haben einen Mitgliederentscheid mit dem Ziel gestartet, das Delegiertenprinzip bei Parteitagen abzuschaffen. Geht es nach dem Willen der Initiatoren, dann würden die Elbliberalen als bundesweit erster FDP-Landesverband basisdemokratisch entscheiden: Mitgliederversammlungen anstelle von Parteitagen bestimmen dann zum Beispiel, wer Landesvorsitzender wird, oder wie die Listen zu Bürgerschafts- und Bundestagswahlen zusammengestellt sind.

Ahlers sieht in der Abschaffung des Delegiertenprinzips eine Chance zu mehr Partizipation. "Es ist wichtig, dass sich möglichst viele und gerade auch junge Leute politisch engagieren - und zwar in Parteien und nicht nur auf Demonstrationen", begründet Ahlers seinen Vorstoß. Wer sich erst einmal durch die unterschiedlichen Parteiebenen kämpfen müsse, um mitzubestimmen, verliere vielleicht schnell wieder das Interesse. "Eine flache Hierarchie ist absolut überfällig", betont der Unternehmer, der darauf hinweist, dass das Parteiengesetz das Delegiertenprinzip nur als Ausnahme, nicht als Regel vorsieht.

Unterstützung für Ahlers und seine Mitstreiter kommt von Parteichefin Sylvia Canel. "Ich finde die Initiative gut", sagt die Bundestagsabgeordnete. "Das wird dazu führen, dass auch Mitglieder, die noch nicht so lange dabei sind, die Möglichkeit der Teilhabe bekommen." Es sei leichter, neue Mitglieder zu gewinnen, wenn sie schnell beteiligt würden. "Wir brauchen für Mitgliederversammlungen allerdings feste Regeln", betont die Parteichefin. So sei es sinnvoll, ein Mindestquorum einzuführen, um Zufallsmehrheiten zu vermeiden. Noch hat sich Canel nicht festgelegt, wie viele Liberale teilnehmen müssen, damit eine Mitgliederversammlung beschlussfähig ist. Derzeit muss mindestens die Hälfte der 121 Parteitagsdelegierten anwesend sein.

FDP-Bürgerschafts-Fraktionschefin Katja Suding hält sich dagegen zurück. "Es gibt gute Gründe für eine Beibehaltung des Delegiertensystems, aber auch für mehr direkte Demokratie", sagt Suding. "Ich finde es wichtig, dass wir das jetzt ausführlich diskutieren und dann auch abstimmen." FDP-Schatzmeister Gerhold Hinrichs-Henkensiefken spricht sich für die Beibehaltung der Parteitage aus: "Wir brauchen verlässliche Strukturen und Diskussionsprozesse über einen längeren Zeitraum statt Einmalmehrheiten." Auch der Landesvorstand müsse sich auf die Mehrheit verlassen können, die ihn einmal ins Amt gebracht hat. Hinrichs-Henkensiefken bemängelt außerdem, dass dem Mitgliederentscheid kein klares Konzept zugrunde liege, sondern es mehr um eine Grundsatzentscheidung ginge, bei der Details nachgearbeitet werden müssten.

In den nächsten Tagen werden die rund 1100 FDP-Mitglieder Post mit Informationen zum Mitgliederentscheid und dem Abstimmungszettel erhalten. Bis zum 4. März haben die Liberalen dann Zeit, sich festzulegen. Damit die Initiative erfolgreich ist, müssen zwei Bedingungen erfüllt sein: Die Mehrheit der Abstimmenden muss sich für die Abschaffung des Delegiertenprinzips aussprechen, und es muss mindestens ein Drittel der Mitglieder teilnehmen. Doch das ist nur der erste Schritt: Die FDP-Satzung schreibt vor, dass der Parteitag mit Zweidrittelmehrheit der Reform zustimmen muss.

Im Klartext heißt das: Die Delegierten müssen sich selbst abschaffen. Intern gilt allerdings als sicher, dass der Parteitag einem klaren Votum der Mitglieder folgen würde.

Es war ein Weg mit Hindernissen bis zum Mitgliederentscheid: Den ersten Antrag dazu hatte Ahlers bereits im November 2010 gestellt. "Damals hatte der Landesvorstand zugesagt, die Mitglieder zu befragen", sagt Ahlers. Das sei aber nicht geschehen. Erst nach Vorlage von 100 Unterstützerunterschriften sei die Sache im Sommer 2012 ins Rollen gekommen.

Die Hamburger FDP hat bereits Erfahrungen mit Mitgliederversammlungen: In den 19 Kreisverbänden der unteren Parteiebene ist das Delegiertenprinzip abgeschafft. Neben den Grünen hat auch die CDU basisdemokratische Elemente: So werden die Direktkandidaten zur Bundestagswahl auf Wahlkreismitgliederversammlungen bestimmt. Dirk Ahlers, der bis 2006 Mitglied der Christdemokraten war, hat als damaliger Blankeneser Parteichef maßgeblich zur Einführung der Elemente direkter Demokratie in der Union beigetragen.