Die Hansestadt hat im Vergleich der deutschen Großstädte die positivste Entwicklung. Aber Politiker warnen vor Zufriedenheit.

Hamburg. Fangen wir mit der schlechten Nachricht an, jedenfalls aus Hamburger Sicht: Die Wahrscheinlichkeit, in einer der 15 größten deutschen Städte in Armut zu leben, ist deutlich höher als anderswo in Deutschland - und sie steigt stetig an. Von 2005 bis 2011 ist die sogenannte "Armutsgefährdungsquote" in Großstädten von 17,5 auf 19,6 Prozent gestiegen, während sie in der Bundesrepublik insgesamt bei rund 15 Prozent stagnierte.

Doch die Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, aus der diese Daten hervorgehen, hält auch eine gute Nachricht für Hamburg parat: Demnach ist die Elbmetropole die Großstadt, in der die Armutsquote seit 2005 am stärksten gesunken ist - von 15,7 auf 14,7 Prozent. Nur in Dresden und in Bremen sank sie auch minimal. Damit hat Hamburg Düsseldorf, Frankfurt am Main und sogar Stuttgart verdrängt und sich vom fünften auf den zweiten Platz hinter dem unangefochtenen Spitzenreiter München vorgeschoben (siehe Grafik). Zur Wahrheit dazu gehört aber auch, dass die Quote in Hamburg seit dem Bestwert im Jahr 2008 (damals lag sie bei 13,1 Prozent) wieder leicht gestiegen ist.

Dennoch ist die Entwicklung an der Elbe vergleichsweise positiv. Als Ursache sehen die Autoren der Studie vor allem die Schaffung von Arbeitsplätzen. So ist in Hamburg der Anteil der 15- bis 65-Jährigen, die einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehen, von 45,1 in 2005 auf 49,7 Prozent in 2010 gestiegen. Diese Steigerung um 4,6 Prozentpunkte ist eine der höchsten im Städtevergleich. Allerdings taugt diese Erklärung auch nur bedingt, denn zum Beispiel in Leipzig ist die Quote im gleichen Zeitraum sogar um 8,1 Prozent gestiegen und liegt nun mit 50,3 Prozent sogar höher als in Hamburg - dennoch ist die Armutsquote in der Messestadt von 23,9 auf 25,0 Prozent gestiegen, der Rekordwert unter den Großstädten. Die Autoren der Studie verweisen in dem Zusammenhang auf den gewachsenen Niedriglohnsektor zurück: Offensichtlich liegen viele Einkommen nur knapp über der Hartz-IV-Grenze. Mit anderen Worten: Die Menschen sind trotz Arbeit arm.

Der Studie zufolge gilt als armutsgefährdet, wer weniger als 60 Prozent des "bedarfsgewichteten" bundesweit mittleren Einkommens zur Verfügung hat. Dies liegt bei einem Alleinstehenden bei 848 Euro monatlich, und für einen Haushalt mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern bei 1761 Euro. Dieser Schwellenwert errechnet sich also anhand der Bedarfe der im Haushalt lebenden Personen und nicht einfach aus den Durchschnittseinkommen.

Das führt allerdings zu einer für Hamburg unangenehmen Konsequenz: Würde man nicht die bundesweiten, sondern die jeweiligen stadtweiten Einkommen und Bedarfe zugrunde legen, läge die Armutsschwelle in Hamburg nach Angaben der Sozialbehörde für Alleinstehende bei 913 Euro und für eine vierköpfige Familie bei 1917 Euro. Demzufolge würde die Armutsquote an der Elbe bei 18,0 Prozent liegen und in Leipzig nur bei 16,0. Die niedrigste Armutsquote hätte dann das relativ arme Duisburg (14,2 Prozent), die höchste das reiche Stuttgart mit 20,8 Prozent.

"Der Rückgang der Armutsgefährdungsquote in Hamburg ist erfreulich", sagte Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) dem Abendblatt. Das sei auch das Ergebnis einer erfolgreichen Sozialpolitik, die vor allem auf Bildung, Integration und fairen Löhnen basiere. "Künftig werden wir uns nicht nur mit der Frage auseinandersetzen müssen, wie viele Menschen Arbeit haben, sondern auch, zu welchen Bedingungen sie arbeiten müssen", so Scheele. "Deshalb setzen wir uns für einen flächendeckenden Mindestlohn ein - faire Löhne sind der beste Schutz gegen Armut."

CDU-Sozialpolitikerin Friederike Föcking führt die Entwicklung auch auf Erfolge der CDU-geführten Senate zurück: "Offensichtlich hat unser Konzept der Wachsenden Stadt Früchte getragen." Das beste Mittel zur Armutsbekämpfung sei die Schaffung von Arbeit, und das habe Hamburg beherzigt. Sie befürchte aber, dass viele erfolgreiche Initiativen im Bereich Bildung und Integration unter den Sparmaßnahmen des SPD-Senats leiden werden.

Katharina Fegebank (Grüne) warnt davor, sich auf den Zahlen auszuruhen: "Dass Hamburg im bundesweiten Vergleich relativ gut dasteht, ist erfreulich, darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es innerhalb der Stadt eklatante Unterschiede bei der Einkommens- und Vermögensverteilung gibt."