Nicht nur die Kosten für die Kinderbetreuung in Hamburg, sondern auch Immobilien sind in den Nachbar-Landkreisen sehr viel günstiger.

Hambuirg. "Gemeinsam für ein familienfreundliches Hamburg", heißt es auf einem bunt gestalteten Faltblatt samt fröhlichen Strichmännchen, mit dem der Senat für seine Familienpolitik wirbt. Auch der Hinweis auf den so wichtigen "Standortfaktor Familienfreundlichkeit" fehlt nicht. Doch spätestens nach der Ankündigung höherer Kita-Gebühren kommen Stadtentwicklungsexperten Zweifel, wie ernst dem Rathaus dieses Ziel tatsächlich ist. Zumal Hamburg trotz allgemein steigender Einwohnerzahlen Familien an das Umland verliert. Ein Trend, der seit Jahren ungebrochen ist, wie der renommierte Stadtökonom Dieter Läpple sagt. "Wenn man diese Entwicklung umkehren will, sind die drastisch höheren Gebühren natürlich kontraproduktiv", so Läpple.

+++ Kita und Steuern - Hamburg und das Umland im Vergleich +++

Zwar dürften es vor allem die höheren Wohnkosten in der Stadt sein, die Familien über einen Umzug in die Weiten der Region nachdenken lassen. Doch Stadtökonom Läpple geht davon aus, dass auch Kita-Abgaben genauso wie Grundsteuern bei solchen Entscheidungen eine Rolle spielen. Und tatsächlich fällt Hamburg im Vergleich mit vielen Umlandgemeinden bei solchen Kosten nicht gerade als Wohnort auf, in dem Familien besonders günstig wohnen können. Die Liste der Hebesätze für die Grundsteuern führt Hamburg jetzt schon an, die Immobilienpreise liegen mittlerweile bis zu 40 Prozent über dem, was im Umland gezahlt wird. Eine Preisschere, die in den vergangenen Jahren durch das mangelnde Angebot in Hamburg nach Zahlen der Landesbausparkasse (LBS) weiter auseinandergeklafft ist. Und auch die Betreuungskosten in den Kindertagesstätten sind in Hamburg oft höher.

Jetzt schon - vor der Erhöhung, die Hamburg dann auch in diesem Punkt mit an die Spitze treibt. Nach aktuellen Statistiken verliert Hamburg daher immer noch Einwohner an das Umland. 2008 betrug der Unterschied zwischen Zuzügen und Fortzügen rund 5000 Menschen, die das Umland als Plus verbuchen kann. Und dabei handelt es sich vor allem um Familien mit kleinen Kindern, wie eine Studie des Instituts Analyse & Konzepte zeigt: Die 30- bis 45-Jährigen und die bis 18-Jährigen bildeten demnach die größte Gruppe der Fortzügler. Es gehört nicht viel Fantasie dazu, hinter diesen statistischen Gruppen Familien zu vermuten, wie auch Analyse &Konzepte belegt: Jedes Jahr, so eine Untersuchung des Instituts aus dem Jahr 2007, ziehen rund 2000 Familien mehr von Hamburg ins Umland als umgekehrt.

Besonders Mittelstandsfamilien, die jetzt durch die Heraufsetzung der Kita-Höchstgebühren besonders betroffen sein dürften. Bei einer vierköpfigen Familie mit einem Haushaltsnetto-Einkommen von 3370 Euro und zwei Kita-Kindern sind es künftig gut 130 Euro monatlich mehr, die im Familienbudget fehlen. Eine Politik, die diese Familien nicht in der Stadt halten kann, wirkt sich natürlich auch auf die Bevölkerungsstruktur aus. Nur noch in rund 19 Prozent der Hamburger Haushalte leben Kinder unter 18 Jahren: Anders die Entwicklung im Umland: Henning Görtz, Bürgermeister von Bargteheide, beobachtet mit Wohlwollen, dass immer mehr junge Hamburger Familien nach Bargteheide ziehen. "Wir haben eine riesige Nachfrage nach Grundstücken in Bargteheide." Der Grundstückspreis pro Quadratmeter Bauland liege zwischen 200 und 220 Euro. (Hamburger Durchschnitt: rund 320 Euro). Auf 15 000 Einwohner kommen in Bargteheide daher mittlerweile 4500 Schüler. Mit zehn Kindertagesstätten biete die Stadt darüber hinaus ausreichend Plätze. "Wartelisten gibt es bei uns nicht", sagt der Bürgermeister. Es seien vor allem junge Familien aus der oberen Mittelschicht, die von Hamburg nach Bargteheide umziehen. "Wenn das erste Kind geboren und das zweite unterwegs ist, suchen die Eltern nach bezahlbarem Wohnraum, der den neuen Ansprüchen genügt. Viele landen dann bei uns."

Dabei ist es nicht unbedingt so, dass es Familien mit Kindern aus der großen Stadt drängt. Laut der Analyse & Konzepte-Studie wäre ein Viertel der Familienfortzügler eigentlich lieber in Hamburg geblieben - wenn es die Kosten zugelassen hätten. Denn der Umzug ins Grüne verspricht auch nicht unbedingt das große Familienglück, wie Stadtökonom Läpple warnt. Denn anderes als in früheren Generationen seien heute Frauen meist berufstätig - und haben ihren Arbeitsplatz in der Stadt. Läpple: "Wenn man dann im Umland wohnt, wird das Zeitmanagement für eine Familie natürlich schwierig." Anderseits könnte es sich für Hamburg finanziell lohnen, Familien in der Stadt zu halten. Durch jeden Einwohner, der ins Umland zieht, verliert die Stadtkasse rund 3000 Euro/Jahr (Steuereinnahmen, Länderfinanzausgleich), wie die Studie von Analyse & Konzepte vorrechnet. Die vierköpfige Familie mit neuer Adresse in Bargteheide kostet Hamburg daher pro Jahr 12 000 Euro - was deutlich mehr sein dürfte als die um rund 1500 Euro höheren Kita-Gebühren, die Hamburg von diesen Familien künftig mehr kassieren will.