Schlaglöcher, Mülltonnen, Glasscherben. Ein persönlicher Streckenreport über die Fahrradtour von Lokstedt bis in die Innenstadt.

Hamburg. Wir gelten als die "letzten Abenteurer" im Dschungel der Großstadt: Radfahrer. Ohne Blech-Rüstung kämpfen sich täglich laut Behörde für Stadtentwicklung knapp zwölf Prozent der Hamburger durch den Straßenverkehr. Meist mehr Slalom als Abfahrt, auch auf der etwa sechs Kilometer langen Strecke von Lokstedt in die City.

Anders als im Märchen ist der Anfang gut. Entlang des Lokstedter Steindamms gibt es einen breiten, rot gepflasterten Radweg, der zum größten Glück auch noch vollkommen ebenerdig ist. Gefährlich kann es nur auf Höhe der Straße Brunsberg werden, wo die Busse der Linie 5 im Minutentakt haufenweise Fahrgäste entlassen - und zwar direkt auf den Radweg. Nichts von wegen "Wir machen den Weg" frei, viele bleiben erst mal stehen und gucken ganz verständnislos, wenn der Radler nicht vor Begeisterung klingelt.

Einige Hundert Meter weiter, kurz hinter der Einmündung Troplowitzstraße/Lokstedter Steindamm, stellt sich dann der Erste quer: Ein riesiger Umzugslaster versperrt den mittlerweile ohnehin schon deutlich schmaleren Radweg. Ausweichen auf eigenes Risiko. Die Vorsichtigen - man gehört schließlich nicht zu den aggressiven "Kampfradlern", gegen die in Berlin schon der halbe Prenzlauer Berg mobilmacht - steigen ab und schieben das Rad um den Transporter. Nun folgt der furchtbarste Abschnitt der Tour, die Hoheluftchaussee. Der Radweg ist beengt, links stehen geparkte Räder auch mal zweireihig, rechts verhindern die Pfosten der Straßenlaternen ein Ausweichen. Doch genau das ist gefordert. Schlaglöcher, Mülltonnen, irgendwas ist immer.

Ab und zu schießt zudem ein Auto aus einer schlecht einsehbaren Ausfahrt heraus, und vor einem großen Supermarkt kreuzen Fußgänger den Weg. Sachte formuliert: Nicht jeder schaut nach rechts oder links.

Hätte, wäre, wenn. Die Strecke an der Alster entlang ist doch so viel schöner, denke ich. Bis sich der Gedanke an die Geschwister-Scholl-Straße, die ich Richtung Alster sonst befahre, aufdrängt. Der Asphalt dort ist schwer verletzt, die Schlaglöcher sind so riesig, dass ich mir ernsthaft Sorgen mache, wenn der Kollege aus der Fahrrad-Fahrgemeinschaft kurz mal nicht zu sehen ist. Wurde er verschluckt? Egal, jetzt auf den Weg an der Hoheluftbrücke entlang achten. Der breite, rote Radweg ist für Verkehrsteilnehmer, die in beide Richtungen unterwegs sind, angelegt. Das signalisieren zwei aufgezeichnete Pfeile. Ja, schöne Straßenmalerei. Es fährt nämlich ohnehin jeder, wie er will. Eine ältere Dame, die Richtung U-Bahnhof eilt, schimpft: "Immer diese Rennradfahrer!" Schulterblick. Hinter mir ist niemand. Muss man als Kompliment verstehen. So schnell kann Tempo zehn wirken.

Gegenüber dem Bezirksamt Eimsbüttel ist der Radweg wegen einer Baustelle aufgerissen, eine Umleitung ist eingerichtet. Vielleicht sollte man ganz auf der Straße fahren? Wie der stadtbekannte radelnde "Straßenkämpfer" Frank Bokelmann, der in Hamburg wahlweise zum "Pedal-Ritter" geadelt oder als Querulant beschimpft wird. Jedenfalls hält er "Radwegeverkehrsanlagen" für "Slalomstrecken um Schlaglöcher, geparkte Autos, verträumte Fußgänger und ahnungslose Touristen aus Fernost" herum.

Gut, das ist im Grindelviertel nicht das Problem. Der Radweg ist schmal, es gibt ein paar Unebenheiten, aber man gewöhnt sich an alles - der Weg sieht auf jeden Fall ganz anders aus als jener am Lokstedter Steindamm. So viel zum Thema "Einheitlichkeit" der 1600 Kilometer langen Radwege in der Stadt ...

Herr und Hund kreuzen den Weg an der Rentzelstraße. Hauptsache, die beiden spannen jetzt nicht wieder so eine tückische Flexileine, über die man gern stürzt. Alles gut. Am Messegelände, entlang der St. Petersburger Straße, warten ganz andere Tücken. Glassplitter säumen den Weg. Ja, Scherben bringen Glück. Vielleicht sogar Wunder. Ein solches ist es, dass die Fahrradreifen trotz täglicher Tour noch intakt sind. Aus Planten un Blomen kommt gerade eine Bekannte, die ihre Kleine im Kinderwagen schiebt. "Mitten in Eimsbüttel", sagt sie, "ist das noch schlimmer mit den Scherben." Mütter mit Kinderwagen und Radfahrer sollten sich verbünden, damit die Reifen nicht platzen.

Das Ziel, die Caffamacherreihe, rückt näher. Normalerweise wartet am Ende die Parkplatzsuche - auch für Radler zeitaufwendig; gerade auch am Bahnhof Altona. Meist sind alle Stahlträger besetzt, und weitere Parkgelegenheiten haben andere längst entdeckt. Gut dass es bei meinem Arbeitgeber Stellplätze im Hof gibt. Geschafft.