In Hamburg kommen mehr Kinder zur Welt. Und die Väter kümmern sich intensiver. Bundesweit lässt der Erfolg aber auf sich warten.

Hamburg. Als die damalige Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) am 1. Januar 2007 das Elterngeld einführte, pries sie es an, als sei es die Lösung für alle Probleme in Deutschland. Das Land brauche mehr Nachwuchs - und die staatliche Unterstützung helfe dabei, sagte von der Leyen damals. Gut ausgebildeten Frauen falle es dank Lohnersatz leichter, sich für Kinder zu entscheiden. Vätern auch. Ein Ziel, das bislang verfehlt wurde - und FDP-Generalsekretär Christian Lindner am Wochenende dazu bewog, eine Debatte über die Abschaffung des Elterngeldes loszutreten. Die Hamburger FDP-Fraktionschefin Katja Suding unterstützt Lindner: "Das Elterngeld hat sein wesentliches Ziel verfehlt: Die Geburtenrate ist seit 2007 nicht gestiegen", sagte sie dem Abendblatt.

Ganz anders in Hamburg, wo die Geburtenrate seit Einführung des Elterngeldes anstieg. Bereits im Oktober 2007, exakt neun Monate nach der Einführung, meldeten die Krankenkassen in der Hansestadt einen Anstieg der Vorsorgeuntersuchungen um 100 Prozent. Nach Jahren sinkender Geburtenzahlen gab es die ersehnte Trendwende: 2009 kamen 19.937 Kinder in Hamburg zur Welt. 2010 waren es bei 20 233 Geburten 20 629 Kinder.

Eins davon ist die kleine Inga Moritz. Sie kam im Oktober 2009 zur Welt. Kurze Zeit später stellte Mutter Almut, 34, den Antrag auf Elterngeld. "Das Elterngeld hat die Situation erleichtert", sagt die freiberufliche Grafikerin aus Heimfeld. "Ich konnte als Mutter ganz entspannt ein Jahr zu Hause bleiben und mich um unser Kind kümmern." Mit der grundsätzlichen Entscheidung für das Kind aber habe das Elterngeld nichts zu tun gehabt. "Die Menschen kriegen nicht mehr Kinder wegen ein paar Euro Elterngeld", da ist sich Chef-Arzt Volker Ragosch vom AK Altona sicher. Auch die Sozialbehörde will einen Zusammenhang zwischen Elterngeld und steigender Geburtenrate nicht bestätigen. "Man kann mit einer Statistik nicht ergründen, ob das Elterngeld die Eltern zu ihrer Entscheidung für Kinder bewegt hat", sagt Sprecherin Julia Seifert. Fakt aber ist: Die Geburtenrate steigt. Und die Zahl der Anträge auch: 2008 wurden in Hamburg insgesamt 18.318 Anträge gestellt. 2009 waren es 19 876 und im vergangenen Jahr 20.613.

Unter den Antragsstellern sind auch immer mehr Väter, die, ermutigt durch das Elterngeld, ein paar Monate in Elternzeit gehen. Bereits 2007 lag die Quote mit 13,3 Prozent in Hamburg über dem Bundesdurchschnitt. 2008 waren es 20 Prozent und im vergangenen Jahr nahmen sogar 26 Prozent der Väter eine Auszeit vom Beruf, um sich der Kindererziehung zu widmen. Damit liegt Hamburg über dem Bundesdurchschnitt von 23 Prozent und auf Rang sechs unter den Bundesländern. Einer dieser Väter ist Jens Christian Berggreen. Sein Sohn Paul kam im November 2008 auf die Welt. Nach der Geburt beantragte der 44-Jährige drei Monate Elternzeit. Es seien sehr intensive und wertvolle Monate gewesen, sagt der Marketingexperte.

Auch wenn das Elterngeld in Hamburg gut ankommt, so lässt der bundesweite Erfolg auf sich warten. Deutschland schrumpft weiter - trotz des Elterngelds. Und die Maßnahme kostete den Staat bis heute mehr als 15 Milliarden Euro. In diesem Jahr rechnet der Bund mit Ausgaben von 4,04 Milliarden Euro.

Geld, das nach Meinung von FDP-Fraktionschefin Katja Suding besser an anderer Stelle eingesetzt werden solle. "Die Koalition auf Bundesebene sollte darüber nachdenken, mit dieser Riesensumme die Kinderbetreuung in Deutschland auszubauen oder andere Projekte zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu stärken", sagt Suding, die selbst Mutter von zwei Söhnen im Alter von sieben und acht Jahren ist. Und die davon überzeugt ist, dass bei der Entscheidung für eine Familiengründung das Geld nachrangig sei. "Ich habe mich für Kinder entschieden, als es noch kein Elterngeld gab, und ich würde es völlig unabhängig davon wieder tun."

Als "absolut falsches Signal" bezeichnet SPD-Familienexpertin Melanie Leonhard die Debatte über das Elterngeld. Zwar löse es nicht alle Probleme von Familien, etwa bei der Wohnungs- oder der Jobsuche von Müttern. "Aber da Kinder in Deutschland immer noch ein Armutsrisiko sind, ist das Elterngeld ein Schritt in die richtige Richtung. Es lindert die materielle Not." CDU-Fraktionschef Dietrich Wersich hatte das Elterngeld schon in seiner Zeit als Sozialsenator als "Meilenstein für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf" bezeichnet - und bleibt dabei. Vor allem für Frauen, die schon gut verdient haben, biete es eine Absicherung gegen den finanziellen Absturz. (Von Hanna Kastendieck und Andreas Dey)