Ich wusste nicht, wie ich mein Kind zum Schlafen bringen sollte, doch dann rettete uns der Gymnastikball - und eine bestimmte Hüpfreihenfolge.

Hamburg. Schlaf. Wer hätte gedacht, dass dieses kurze Wort in mir einmal solch eine Sehnsucht auslösen würde. Schlaf war nach der Geburt meines Sohnes Jannis für mich mehrere Monate lang ein Fremdwort geworden. Jannis war ein sehr waches Kind - Tag und Nacht. Und er hasste sein Bettchen. Er wollte die Welt entdecken, auf dem Arm der Eltern - Tag und Nacht. "Diese Kinder sind angeblich besonders intelligent", versuchte meine Mutter mich angesichts meiner tiefen Ringe unter den Augen zu trösten.

Schlaf wurde sogar zum Neidfaktor unter Müttern. Mit viel Schlaf konnte man protzen. Dabei konnten die Mütter mit schlafenden Babys gar nichts für ihr Glück, denn Erziehung wirkt in den ersten sechs Monaten nicht, hatte ich in verschiedenen Ratgebern und Internetforen gelesen. Es gibt nun mal Schlafbabys und Wachbabys, sagte ich mir.

Die Großmutter meines Mannes riet dazu, Jannis einfach schreien zu lassen. "Dann schläft er schon von alleine ein. So habe ich es mit allen meinen Lütten gemacht", sagte sie. Das löst nur schlimme Ängste bei dem Baby aus, sagte hingegen meine Hebamme.

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+++ Teil 2 der Serie: Manchmal kommt es anders - Born in the UKE +++

+++ Teil 3 der Serie: Das erste Babyjahr - Mamas neue Lehrstelle +++

Ein traumatisiertes Kind, das wollten Stefan und ich natürlich nicht, also probierten wir alle möglichen Methoden aus, um den Kleinen zum Schlummern zu bringen: stundenlange Spaziergänge um den kleinen See, bis ich jedes Steinchen auf dem Weg kannte, das monotone Summen eines Staubsaugers, bis der Nachbar klopfte, Nachtlieder singen, bis ich heiser war.

Doch nur der Ball half. Ein riesiger, grasgrüner Gymnastikball, den ich schon bei meinen Krankengymnastikstunden verabscheut hatte. Doch wenn Stefan oder ich mit Jannis auf dem Ball saßen, ließ Sohnemann sich in den Schlaf hüpfen.

Dabei mussten wir jedoch eine bestimmte Hüpfreihenfolge einhalten. Erst ganz heftig, bis Jannis vor Freude quiekte, dann ganz langsam sachter werden und Jannis ganz vorsichtig in eine waagerechte Position bringen. Ein leichtes Hin- und Herschlingern auf dem Ball und Jannis schlief - nach einer halben Stunde. Danach war es nur noch ein kleines Kunststück, ihn ins Bettchen zu legen.

Das Positive am Ball war, dass man vor dem Fernseher hüpfen konnte, denn so schön es ist, ein Baby im Arm zu halten, es ist nach einer Weile doch etwas langweilig. Außerdem trainierte die Kugel die Bauch- und Beckenbodenmuskeln. Mehrere Monate hielten wir das so durch, mittags auf den Ball, abends auf den Ball und nachts auf den Ball. Eine Freundin, die fand, wir hätten nun lange genug wie Zombies ausgesehen, schenkte uns schließlich das Buch "Jedes Kind kann schlafen lernen". Nur so viel dazu: Das wurde für kurze Zeit unsere Bibel. Darin gibt es nämlich einen Erziehungsplan, nach dem man alle Kinder angeblich zum Schlafen bringt. Sechs Monate muss das Baby mindestens alt sein, vorher funktioniert es nicht. Ziel ist ein Kind, das von alleine ein- und durchschläft. Ein unvorstellbarer Traum also.

Man sollte ausgeschlafen sein und gute Nerven haben, riet mir die Freundin, die die Methode an ihren drei Kindern ausprobiert hatte und darauf schwor. Ausgeschlafen waren wir natürlich nicht, und gute Nerven hatte ich nie. Aber wir waren entschlossen. Sehr entschlossen.

Schritt eins war leicht: Wir mussten uns eine feste Uhrzeit aussuchen, zu der wir Jannis ins Bett bringen würden, und ein Ritual einführen. Wir entschieden uns für ein Nachtlied, ich hatte inzwischen ein ziemlich großes Repertoire. Dann sollten wir tapfer und laut "Gute Nacht" sagen und das Zimmer verlassen. Für drei Minuten.

Ohrenbetäubendes Gebrüll folgte. "Sie gehen dann wieder rein und beruhigen das Kind", rät der Buchautor, dann sollte man wieder rausgehen und nach fünf Minuten reinkommen, die Abstände länger werden lassen, mehr als zehn Minuten solle man das Kind jedoch nicht schreien lassen.

Ich hätte nicht gedacht, dass ein kleiner Kerl so wütend werden kann. Wir mussten die Pausen im schalldichten Keller verbringen und uns gegenseitig Mut zusprechen. Mantraartig wiederholten wir: "Wir haben auch ein Recht auf Schlaf und einige Stunden Ruhe" oder "das schadet nichts, der spielt sich nur auf" oder "das Gebrüll stärkt die Lungen". Aber es zerrte an den Nerven, es war furchtbar - aber letztendlich unglaublich effektiv.

Fünf Tage hat es gebraucht, bis Jannis tatsächlich von alleine einschlief. Nachmittags wie abends. Wir legten ihn fortan ins Bett, trällerten ein Lied, er lächelte uns zu - und schlief.

Unterbrechungen hatten wir nur, wenn er krank war, danach haben wir den Schlafplan wiederholt.

Das Gleiche funktionierte später wunderbar mit seinem kleinen Bruder Jascha, der allerdings erst mit einem halben Jahr zum Schlafmuffel wurde. Die ersten Lebensmonate tendierte er hingegen zum Dauerschlaf. Zum Stillen musste ich ihn jedes Mal wecken. Wie ich den Neid aller jungen Mütter um mich herum genossen habe ...

Und der grasgrüne Ball? Selten hatte ich so viel Spaß daran, aus einem Gegenstand die Luft rauszulassen.