Aber auch wenn es merkwürdig klingt: Eben diese Zweifel und die wackelnde Basis verbessern die Position gegenüber der CDU.

Hamburg. Wer in diesen Tagen das Rathaus betritt, der begegnet schon mal einem strahlenden GAL-Abgeordneten, der ruft: "Ich fürchte keine Neuwahlen." Es bleibt dann ein bisschen offen, wie ernst das gemeint ist. Sicher ist aber, dass die Grünen mit der ungewissen Zustimmung ihrer Mitglieder zum designierten Bürgermeister Christoph Ahlhaus auch kokettieren können: Wenn ihre Partei diesen CDU-Politiker als Regierungschef akzeptiert, so das Kalkül, dann müssten dafür grüne Projekte energischer umgesetzt werden.

GAL-Landesvorsitzende Katharina Fegebank formulierte es gegenüber dem Abendblatt so: "Diese Wochen dienen dazu, im Austausch mit der CDU vorzubreiten, unter welchen Bedingungen ein neuer Aufschlag für das Bündnis möglich ist." Fegebank will dennoch offen lassen, ob sie heute Abend bei der öffentlichen Mitgliederdiskussion, beim "Grünschnack" in Wandsbek, für eine Fortsetzung des Bündnisses werben will. "Wir befinden uns im offenen Diskussionsprozess."

Der Nachwuchs von der Grünen Jugend dagegen hat sich bereits gegen Ahlhaus entschieden. Dem ebenso knappen wie eiligen Antrag mit dem Wortlaut "Wir fordern die sofortige Auflösung der Koalition" stimmten acht Jungpolitiker zu, sechs waren für die Fortsetzung. "Die Gesamtsituation der Themen Moorburg, Ahlhaus und der verlorene Volkentscheid lassen eine Forstsetzung des Bündnisses nicht wünschenswert erscheinen", sagte Sprecher Gregor Dutz dem Abendblatt.

Zwar sind nur wenige Nachwuchspolitiker auch Mitglied der Mutterpartei, daher also bei der Abstimmung am 22. August nicht stimmberechtigt. Ihre Ablehnung ist dennoch Indiz für die Stimmung vieler grüner Seelen. Ahlhaus habe sich im Amt des Innensenators als Hardliner profiliert - und die jüngsten Erkenntnisse, etwa Ahlhaus' Gastmitgliedschaft in einer Studentenverbindung, "haben nicht dazu beigetragen, dieses Bild weicher zu zeichnen", sagte Claudius Lieven (GAL).

Auch wenn es merkwürdig klingt: Eben diese Zweifel und die wackelnde Basis verbessern die Position gegenüber der schwächelnden CDU. Wenn Ahlhaus sich am 18. August den Mitgliedern vorstellt, werden von ihm nicht nur verträgliche Personalien für die frei werdenden Senatorenposten erwartet, sondern auch Zusagen für grüne Projekte. Unter dem Verhandlungsbegriff "Umwelthauptstadt 2011" wird die GAL kaum bescheiden sein: Der versprochene Ausbau der Fahrradwege, dazu Frieden für die vom CDU-Wirtschaftsflügel torpedierte Stadtbahn, außerdem endlich mehr Naturschutzgebiete als Ausgleich für Elbvertiefung und das zugeschüttete Mühlenberger Loch - all das wäre den GALiern vielleicht ein gemeinsames Regieren mit Ahlhaus wert.

Auch das Reizthema Umwelt-Maut in der Innenstadt, bisher von der CDU klein gehalten, dürfte auf der Agenda weiter nach oben wandern. "Eine Umweltzone ist ein wichtiger Schritt für moderne Stadtentwicklung, zumal Lieferverkehr und Taxenbetrieb von freieren Straßen profitieren", sagte Michael Osterburg, Fraktionschef der GAL im Bezirk Mitte.

Zumal die Grünen unter Zugzwang stehen. Naturschützer fordern schon lange eine deutlichere Handschrift in der Senatspolitik, der Rücktritt des zugänglicheren Ole von Beust erhöht nicht gerade deren Hoffnungen. "Wenn in den ersten Monaten unter Ahlhaus die Projekte der GAL nicht energisch umgesetzt werden, macht dieses Bündnis keinen Sinn mehr", sagte BUND-Landesgeschäftsführer Manfred Braasch. So sei der Masterplan Klimaschutz seit Monaten versprochen, aber noch nicht vorgelegt. Entscheidend sei auch, wie die CDU das Amt des Wirtschaftssenators besetze.

Überreizen sollten die Grünen indes nicht: Längst nicht alle GALier sehen Neuwahlen ohne Ängste entgegen. Denn mit dem früheren Bündnispartner SPD sehen viele Abgeordnete derzeit nur wenig Gemeinsamkeiten.