Jürgen Bruns-Berentelg, Boss des städtischen Projektentwicklers, plant auch ein Wohnheim für Studenten in der HafenCity.

Hamburg. Abendblatt: Hamburg muss wegen der Finanzkrise Hunderte Millionen im Haushalt einsparen, nur um die Zinsen für neue Kredite bezahlen zu können. Auf der anderen Seite ist in der HafenCity alles vom Feinsten, bis hin zum Fußweg zur Elbphilharmonie. Wie erklären Sie diesen Widerspruch den Bürgern?

Jürgen Bruns-Berentelg: Die HafenCity ist nicht irgendein Arbeits- oder Wohnort, sondern einer mit einer hohen Attraktivität für Unternehmen, Touristen und alle Hamburger. Sie ist Kerninnenstadt. Die HafenCity ist der zentrale Werttreiber für das Wachstum Hamburgs. Auch die Intensität der Nutzung erfordert es, dass man ein besonders qualitätsvolles Ambiente schafft. Das trifft für den Raum um die Alster und den Jungfernstieg ja auch zu.

Abendblatt : In der HafenCity geht es aber um viel größere Summen als am Jungfernsteig.

Bruns-Berentelg: Die öffentlichen Areale, die neuen Plätze, Parks und Straßen, belasten aber nicht den Haushalt. Sie werden im Wesentlichen durch die Grundstücksverkäufe aus dem Sondervermögen "Stadt und Hafen" an private Investoren finanziert, die wiederum gut 5,5 Milliarden Euro in die HafenCity investieren.

Abendblatt : Aber je sparsamer man plant und baut, desto mehr von diesem "Vermögen" wäre für die Stadtkasse übrig.

Bruns-Berentelg: Das Sondervermögen soll am Ende mit einer schwarzen Null dastehen. Ohne ausreichende öffentliche Investitionen erreichen Sie keine ausreichenden privaten Investitionen und damit keine qualitätsvolle Innenstadt, die das Bild Hamburgs sicher mehr als 100 Jahre prägen wird. Ein Beispiel: In der Innenstadt gibt es zehn Haltestellen für U- und S-Bahn. Es ist nicht denkbar, ohne U-Bahn die HafenCity als intensiv genutzte Innenstadt zu realisieren.

Abendblatt : Wann können Sie das Bezirksamt Mitte als neuen Großmieter begrüßen?

Bruns-Berentelg: Der Baubeginn für die Gebäude im Überseequartier soll im Frühjahr 2010 erfolgen. Fertigstellung und Umzug sind für Herbst 2012 geplant.

Abendblatt : Das Bezirksamt soll pro Quadratmeter 15 Euro Miete zahlen, deutlich mehr als bisher am Hauptbahnhof. In der City Süd werben Plakate für Büropreise von 8,75 Euro. Ist der Umzug in die HafenCity nicht eine Subventionierung des Investors?

Bruns-Berentelg: Dass das Bezirksamt in die HafenCity zieht, war ein Teil der Strategie, öffentliche oder politische Institutionen in die Erweiterung der inneren Stadt um 40 Prozent mit einzubeziehen. Und die Konditionen waren bereits 2005 im Kaufvertrag - gebilligt von der Bürgerschaft - mit dem Investor festgelegt worden. Außerdem gibt es Anforderungen an ein Bezirksamt wie Erreichbarkeit für 2000 Tagesbesucher und Sichtbarkeit an einem zentralen Ort des Bezirks, die werden hier erfüllt, nicht aber in der City Süd. Der Mietpreis am alten Standort ist im Übrigen der für ein Abrissgebäude, der Standort soll nach dem Auszug neu bebaut werden.

Abendblatt : Der Senat verhehlt nicht, dass auch die HafenCity- Universität (HCU) an diesem exklusiven Ort gebaut wird, um das Projekt HafenCity zu fördern und zu beleben. Ist diese Maßnahme 84 Millionen Euro wert?

Bruns-Berentelg: 19 Millionen Euro für das Grundstück fließen Hamburg über das Sondervermögen wieder zu. Generell gilt: Die Qualität der HafenCity wäre nicht denkbar nur mit Büro- und Wohngebäuden. Die HCU mit ihren 1500 Studenten wird im Vergleich zu den 40 000 Tagesbesuchern, die allein das Überseequartier anziehen wird, aber nicht primär eine Belebungsfunktion haben, sondern sie wird das kreative Potenzial des Sektors Architektur und Stadtentwicklung für Hamburg und die hier tätigen Unternehmen steigern.

Abendblatt : Geht es etwas konkreter?

Bruns-Berentelg: Die HafenCity als Standort ist für die HCU deswegen von großer Bedeutung, weil sie für Studenten der beste international wirksame Lernort ist. Wo kann man anschaulich so viel über Architektur und Städtebau lernen wie hier und herausragende Lehrende und Forscher gewinnen?

Abendblatt : ... und über Wohnungen, die sich kein Student leisten kann.

Bruns-Berentelg: Wir denken auch über studentisches Wohnen nach. Außerdem kann man auch von der Veddel die HafenCity erreichen.

Abendblatt : Ein Studentenwohnheim in der HafenCity?

Bruns-Berentelg: Warum nicht?

Abendblatt : Man brachte es bislang nicht mit der HafenCity in Verbindung. Reagieren Sie damit auch darauf, dass in Hamburg seit Jahren zu wenige Wohnungen gebaut werden?

Bruns-Berentelg: Wir überarbeiten zurzeit den Masterplan für die östliche HafenCity. Dort wird der Wohnanteil zwischen 50 und 70 Prozent betragen. Das Wohnen wird dort in sehr viel verdichteter Form realisiert als ursprünglich angedacht, insofern können mehr Menschen in die HafenCity ziehen. Auch bei der Preisentwicklung steuern wir gegen und werden auch geförderten Wohnungsbau integrieren.

Abendblatt : Wo und wie viel?

Bruns-Berentelg: In der ersten Tranche am Lohseplatz entstehen 70 geförderte Wohnungen von 350, dazu auch Genossenschaftswohnungen und Wohnungen für Baugemeinschaften. Wir schreiben in vier Wochen aus.

Abendblatt : Hier werden Tausende Quadratmeter Bürofläche neu geschaffen, aber die Mieter sind altbekannte wie der "Spiegel" oder Unilever, die dafür an anderer Stelle in der Stadt Leerstände hinterlassen. Was ist daran für die Stadt finanziell attraktiv?

Bruns-Berentelg: Die Unternehmen steigern durch den Umzug ihre Produktivität, weil sie Flächen effizienter nutzen und geringere Kosten pro Arbeitsplatz haben. Die Stadt profitiert davon, weil die Firmen ihre Wettbewerbsposition verbessern und sich langfristig an den Standort Hamburg binden. Allein durch die Grundstücksverkäufe und die Bauvorhaben fließen Hamburg mehrere Hundert Millionen Euro Steuereinnahmen zu. Dazu kommen unternehmensbezogene Steuern.

Abendblatt : Bleiben die alten Gebäude ...

Bruns-Berentelg: Leer stehen die nur, wenn sie modernen Ansprüchen nicht genügen. Aber dann werden sie frei für Modernisierungen, neue Nutzungen oder werden abgerissen. Nach dem Umzug wird in den alten Standort investiert und die Stadtstruktur verbessert sich. Auf dem früheren Unilevergelände entsteht zum Beispiel ein Hotel, neue Wohnungen, und das Bürogebäude wird hochwertig modernisiert.

Abendblatt : Wird das Science Center noch gebaut?

Bruns-Berentelg: Das Science Center ist für Hamburg ein herausragendes Projekt, weil es eine bedeutende Funktion für die technische und naturwissenschaftliche Bildung für Touristen und viele Hamburger hat. Nichtsdestotrotz ist das Projekt derzeit nicht finanzierbar. Ich gehe davon aus, dass es zwei oder drei Jahre länger bedarf, um private Mittel als wesentliche Finanzierungsgrundlage zu sichern.

Abendblatt : Das wäre wann?

Bruns-Berentelg: Ich erwarte den Baubeginn nicht vor 2013 und eine Bauzeit wegen des komplizierten Gebäudes von bis zu dreieinhalb Jahren.

Abendblatt : 4000 Menschen arbeiten in der HafenCity, 1500 wohnen hier. Wie viele Jobs und Einwohner sind wirklich neu?

Bruns-Berentelg: Das können wir zurzeit nur grob schätzen. Wir wissen aber, dass kleinere Unternehmen, Geschäfte und Restaurants in vielen Fällen Neugründungen sind. Es gibt bereits über 200 Firmen in der HafenCity. Und größere Firmen wie beispielsweise China Shipping haben ihre Beschäftigtenzahl in Hamburg stark erhöht, zum Teil verdoppelt. Die Firmen bauen auf Zuwachs. Von den Bewohnern kommen etwa 30 Prozent von außerhalb der Metropolregion in die HafenCity.