Beim traditionellen Auftritt bewegten sich die Schiffe am Sonnabend zum ersten Mal nach der Choreografie des Lotsen Heinz Peter Masemann

Hamburg. Die Wolkendecke aufgerissen, ein frischer Wind und aufgewühltes Wasser - die Kulisse stimmte einfach, als sich die bulligen Hafenschlepper am Sonnabend zu ihrer besonderen Formation vor den Landungsbrücken einreihten: Das Schlepperballett gilt jedes Jahr als Höhepunkt des Hamburger Hafengeburtstags.

Seitwärts schoben sich die 5000 PS starken Boliden durchs Wasser, dann in sanften Schleifen voran - oder die Kapitäne ließen sie im Takt zu James Last und Walzermelodien förmlich auf der Elbe tanzen. Und das alles vor einem begeisterten Publikum: Dicht gedrängt schauten die Menschen von den Landungsbrücken aus zu.

Was viele von ihnen wohl nicht ahnten: Die Figuren der tanzenden Hamburger Hafenschlepper ergeben sich nicht zufällig und sind auch nicht spontan abgesprochen: Die Kapitäne haben ihren eigenen Dirigenten, wenn man so will. Und das war in diesem Jahr Heinz Peter Masemann. Der 53 Jahre alte Hafenloste hat diese Aufgabe von seinem inzwischen pensionierten Kollegen Dietrich Petersen übernommen, der zuvor elf Jahre lang das traditionelle Schlepperballett geleitet hatte.

Eine regelrechte Choreografie hatte Masemann nach dem Vorbild seines Vorgängers entwickelt. Möglichst synchrone Figuren hatte er sich überlegt - und die vollführten die Schlepper ein wenig weiter entfernt von den Landungsbrücken, weil es nach sehr dichten Manövern in den vergangenen Jahren Sicherheitsbedenken gegeben hatte. Mit Begleitung durch Orchester-Tanzmusik - es gab Klassik, aber auch maritimen Rock von Achim Reichel - ließ der Lotse die Schlepper nach seinen Plänen fahren und tanzen. Nur: Sein Taktstock war das Funkgerät, mit dem er von den Landungsbrücken aus die Kommandos an die Schlepper weiterleitete. "Und da ist es hilfreich, wenn man sich aus dem Alltag gut kennt", sagt Lotse Masemann.

Und tatsächlich ist das Schlepperballett zwar eine Show, aber vom Alltagsgeschäft im Hafen gar nicht so weit entfernt. Wenn die Hafenlotsen große Containerfrachter zu ihren Liegeplätzen begleiten - dann dirigieren sie von der Brücke der großen Schiffe aus auch die Schlepper. Meist sind es zwei, einer vorne am Bug, einer achtern, die mit dicken Trossen mit den Schiffen verbunden sind: ziehen, stoppen, drehen - und das in engen Winkeln, das leisten diese Kraftpakete, deren Einsatz und Zusammenwirken ein Lotse koordiniert - so wie ein Dirigent sein Orchester, nur eben per Funk und nicht per Taktstock.

Die Wendigkeit der Schlepper basiert dabei auf besonderen Antriebseinheiten: Entweder werden sie von zwei drehbaren Antriebsgondeln bewegt, dem sogenannten Schottel-Antrieb, oder durch das Voigt-Schneider-Prinzip, das eher an einen Mixer erinnert als an eine klassische Schiffsschraube. So können sich Schlepper nahezu auch seitlich vorwärts bewegen - oder auch, wie beim Schlepperballett, regelrecht aufschaukeln.

Diese für Schiffe enorme Beweglichkeit war es dann auch, aus der das traditionsreiche Hamburger Schlepperballett entstand. Ein Hersteller des damals neuen Schottel-Antriebs hatte in den 1970er-Jahren mit solchen Pirouetten zeigen wollen, wie manövrierfähig Schlepper sein können. "Daraus ist dann das Schlepperballett entstanden", sagt Masemann.

Bereits 1980 gab es die Premiere des Schlepperballetts beim Hafengeburtstag, der seinerzeit erst seit drei Jahren als Volksfest gefeiert wurde. Seitdem ist der Hamburger Hafengeburtstag immer weiter gewachsen, neue Attraktionen sind hinzugekommen: Längst gilt er mit rund 1,4 Millionen Besuchern als größtes Hafenfest der Welt: Aber die Schlepper und ihr Ballett, das bleibt ein Klassiker, sagt Masemann. Er konnte seine eigene Schlepperballett-Premiere übrigens gut über die schwankende Bühne der Elbe bringen.