29 Jugendliche erhalten Auszeichnung für ihren Einsatz gegen Gewalt und Unrecht. Ralph Giordano und Wolf Biermann würdigen Engagement.

Hamburg. Es ging um Mut und Mitmenschlichkeit, um Spuren der Vergangenheit und deren engagierte Aufarbeitung. Doch vor allem war es eine emotionale Feierstunde am Montagnachmittag im Ernst Deutsch Theater. Zum 16. Mal wurde der Bertini-Preis verliehen, und anders als im vergangenen Jahr konnte auch der Ehrenvorsitzende des Preises, der Schriftsteller Ralph Giordano, teilnehmen.

Schon als der 90 Jahre alte Autor des Familienromans „Die Bertinis“ gestützt das Theater betrat und lächelnd um sich blickte, gab es den ersten Applaus. Trotz gesundheitlicher Einschränkung war er von Köln nach Hamburg gereist, um an der Auszeichnung von jungen Menschen mit Zivilcourage mitzuwirken. Und so brachte denn auch Theaterintendantin Isabella Vértes-Schütter in ihrer Begrüßungsrede ihre „unbändige Freude“ über die Anwesenheit Giordanos zum Ausdruck.

Mit 18 Projekten hatten sich Gruppen und Einzelpersonen im vergangenen Jahr um den Bertini-Preis beworben. 29 Jugendliche zeichnete die Jury für ihr Engagement in drei Projekten aus. Sieben weiteren Projekten, die für eine Prämierung noch nicht weit genug fortgeschritten waren, wurde empfohlen, sich im kommenden Jahr erneut zu bewerben. Allen Projekten einig ist das intensive Engagement der Schüler, das über Schulprojekte weit hinaus geht. Schulsenator Ties Rabe lobte denn auch die Haltung, die von Anfang an mit wachen Augen durch das Leben geht und dort handelt, wo Gewalt, Unrecht und Ausgrenzung stattfinden. „Mut ist eine Handlung, die im Kleinen anfängt“, sagte der Vater dreier Kinder. Mit einer launigen und von viel Sprachwitz begleiteten Festrede erheiterte der Liedermacher und Lyriker Wolf Biermann das Publikum (siehe nebenstehenden Beitrag). Mit Zitaten von Goethe bis Heinrich Heine lobte er den Initiator des Bertini-Preises, den Hamburger Lehrer Michael Magunna. Und setzte dessen Ziele mit den Worten Heinrich Heines vom „Freiheitskrieg der Menschen“ gleich.

Die Botschaft des Preises lautet: Lasst euch nicht einschüchtern

Nach musikalischen Einlagen des Mighty Lachs Quartetts und kurzen Einspielfilmen des NDR-TV-Autors Christian Mengels zu den drei Projekten begann die eigentliche Preisverleihung. So ging ein Preis an 25 Schülerinnen und Schüler der Ida-Ehre-Schule, die sich für ein Denkmal zur Erinnerung an die Opfer der Hamburger NS-Militärjustiz einsetzten. Nach einem Gespräch mit dem Zeitzeugen Ludwig Baumann, der 1942 aus Gewissensgründen aus der Wehrmacht desertiert war, machten sich die Jugendlichen für die Umgestaltung des kriegsverherrlichenden Denkmals in der Nähe des Bahnhofes Dammtor stark. Eine weitere Auszeichnung erhielt die Abiturientin Jessica Köster, die sich auf die Spuren des Kolonialismus in Hamburg begab. In einem fiktiven Tagebuch beschrieb sie die Reise und den Aufenthalt des Kameruner Prinzen Samson Dido, der 1886 in einer der Völkerschauen des Zoobetreibers Carl Hagenbeck auftat.

Hans-Juergen Fink vom Abendblatt, das ebenfalls zu den Förderern des Bertini-Preises zählt, würdigte die Arbeit von Carmela Orlowski, Chantelle Hajduk und Nicole Diez. Die Schülerinnen des Gymnasiums Allermöhe hatten sich mit der Biografie einer jungen Bergedorferin befasst, die in einer Tötungsanstalt der Nazis in Wien an den Folgen des Euthanasieprogramms starb.

In seiner Schlussrede verneigte sich Ralph Giordano symbolisch vor dem Einsatz der Jugendlichen, die ihren „Herzen folgten“ und dem Unrecht nachgingen. Ein Glücksgefühl sei das für ihn, der die Grauen des Naziterrors mit seiner Familie in Hamburg am eigenen Leib erlebt hatte. Es gebe ihm die Zuversicht, dass der Bertini-Preis seine Botschaft „Lasst euch nicht einschüchtern“ weiter verkünden werde, „auch wenn sein Ehrenvorsitzender nicht mehr da ist“, so Ralph Giordano. Das Publikum dankte dem Schriftsteller für seine persönlichen Worte mit stehenden Ovationen.