Schätzungsweise 350.000 bis 400.000 Soldaten desertierten während des Zweiten Weltkrieges. Gegen 30.000 Deserteure verhängte die NS-Militärjustiz die Todesstrafe, 23.000 wurden hingerichtet. Orte der Erinnerung an die Menschen, die sich unter den Nationalsozialisten der Kriegsteilnahme entzogen und damit ihr Leben aufs Spiel setzten, findet man in der Hansestadt Hamburg vergebens.

Nach einem Zeitzeugengespräch mit Ludwig Baumann, der 1942 aus der Wehrmacht desertierte und sich für ein Deserteurdenkmal in Hamburg engagiert, beschlossen Schülerinnen und Schüler des Profils „You:sful“ der Ida-Ehre-Schule, sich dem Hamburger Bündnis für ein Deserteurdenkmal anzuschließen. Sie recherchierten Lebensläufe ehemaliger Deserteure und schrieben Briefe an den Ersten Bürgermeister Olaf Scholz, in denen sie ihn baten, der Umgestaltung des sogenannten 76er Denkmal in der Nähe des Bahnhofs Dammtor zu einem Denkmal für die Opfer der Hamburger NS-Militärjustiz zuzustimmen.

Das kriegsverherrlichende Denkmal von 1936 zeigt ein Relief mit 88 lebensgroßen Soldaten, die in den Krieg marschieren und trägt die Inschrift: „Deutschland muss leben und wenn wir sterben müssen“. Ein paar Schritte davon entfernt, steht das „Mahnmal gegen den Krieg“. Der österreichische Künstler Alfred Hrdlicka hatte es in den 80er-Jahren geschaffen, doch es blieb unvollendet. Mit ihrem Engagement erreichten die Schüler, dass die Bürgerschaft sich 2012 dazu entschied, ein Denkmal für die Opfer der NS-Militärjustiz zu errichten.

Für den weiteren Verlauf boten sie ihre Unterstützung an. In vier Arbeitsgruppen sammelten sie Aspekte für ein neues Denkmal. Mit Gestaltungsmitteln wie beschriebenen Pappen oder szenischen Darstellungen experimentierten sie auch vor Ort und hielten die Anstöße zur Umgestaltung des 76er-Denkmals (nach dem in Hamburg stationierten 76. Infanterieregiments), zur Ergänzung des Gegendenkmals und zu einer sichtbaren Verbindung beider Denkmale fotografisch fest. Zudem entwarfen sie einen verbesserten Text für die Infotafel.

Ihre Vorschläge sammelten sie und sendeten diese an Politiker, Professoren und das mit der Umgestaltung beauftragte Architektenteam. „Die Reaktionen waren positiv, wir erhielten unter anderem die Zusage der Architekten, unsere Vorschläge mit einzubeziehen“, sagt Sammy Alves Abboud, 15. Zuletzt präsentierten die Jugendlichen ihre Ideen zu Beginn des Jahres in einer Ausstellung der KZ-Gedenkstätte Neuengamme im Hamburger Rathaus.