Innenbehörde bestreitet Vorwürfe, Überprüfungen gebe es nur nach Hautfarbe. Kritiker sprechen von Diskriminierung. Laut einem internen Papier des Senats beruft sich die Polizei auf Paragraf 163b der Strafprozessordnung.

Hamburg. Seit dem 11.Oktober kontrolliert die Polizei mutmaßliche Mitglieder der sogenannten Lampedusa-Flüchtlinge, rund 70 Personen sollen bisher im Fokus gewesen sein. Aufseiten der Flüchtlingsunterstützer sieht man in den Polizeikontrollen eine Verletzung gültigen Rechts: „Man darf Menschen nicht aufgrund ihrer Hautfarbe kontrollieren. Das ist eine massive Diskriminierung und ein klarer Rechtsverstoß“, sagt Hermann Hardt vom Flüchtlingsrat. Auch der Verdacht auf einen Verstoß gegen das Aufenthaltsgesetz würde die „massiven Kontrollen“ nicht rechtfertigen. „Diese Überprüfungen haben nur einen Zweck, und das ist die Vorbereitung der Abschiebung“, so Hardt weiter. Auch die kirchliche Hilfsorganisation Fluchtpunkt, die die Flüchtlinge zum Teil anwaltlich vertritt, sieht die Kontrollen kritisch. Für „rechtlich sehr fragwürdig“ erachtet Rechtsanwalt Claudius Brenneisen die Maßnahmen der Polizei: „Der Anfangsverdacht kann ja nur die schwarze Hautfarbe sein. Dafür sehe ich keine Rechtsgrundlage.“ Vor allem in den USA wird seit einiger Zeit über das sogenannte „Racial Profiling“ debattiert, also die anlasslose Kontrolle von Personen aufgrund äußerlicher Merkmale wie Hautfarbe oder Haarfarbe. Dies verstößt gegen das verfassungsrechtliche Diskriminierungsverbot.

Die Polizei hebt dagegen hervor, dass es für die Kontrollen einen konkreten Verdacht gebe: Menschen auf dem Gelände der St.Pauli Kirche würden sich illegal in Deutschland aufhalten. „Wir überprüfen die Personen nur im Umfeld der Kirche“, sagt Polizeisprecher Mirko Streiber. Zuvor kontrollierten die Beamten auch in St.Georg. Doch nun wurde der Zufluchtsort der Flüchtlinge dort geschlossen. Die Kontrollen seien eingestellt worden. Man würde bei den Einsätzen sehr genau darauf achten, wer „erkennbar der Gruppe zuzuordnen“ sei, sagt Streiber. Die Polizei prüfe nicht pauschal Menschen mit dunkler Hautfarbe im Stadtgebiet, sondern beobachte genau, wer sich im Umfeld der Kirche bewege. Entscheidend für die Kontrollen sei also nicht die Hautfarbe, sondern der Ort.

Kontrollen auf der Reeperbahn würden auch nur dann gemacht, wenn eine Person zuvor im Umfeld der Kirche gesichtet wurde. Da die Polizei davon ausgehe, dass die Menschen ohne Aufenthaltstitel aus westafrikanischen Ländern kommen, prüfe man weder Schüler noch Aktivisten von Hilfsorganisationen – auch wenn diese sich im Umfeld der Kirche aufhalten würden. Man gehe also in dem konkreten Verdacht davon aus, dass die gesuchten Personen dunkle Hautfarbe hätten. Laut einem internen Papier des Senats beruft sich die Polizei auf Paragraf 163b der Strafprozessordnung. „Der Verdächtige darf festgehalten werden, wenn die Identität sonst nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden kann“, heißt es dort.

Der Senat erklärt, dass die Behörden Menschen nicht aufgrund ihrer Hautfarbe kontrollierten, sondern „notwendige Maßnahmen“ träfen, „wie sie es bei allen anderen Personen auch tun, die sich illegal in Deutschland aufhalten“. Seit Monaten harren die Flüchtlinge in der Kirche auf St. Pauli aus. Nur in drei Fällen soll im Zuge der Gespräche zwischen Behörde und der Flüchtlingsgruppe die Identität von Personen freiwillig offengelegt worden sein. Ansonsten halten die Flüchtlinge, die mit Touristenvisum nach Deutschland kamen, ihre Identitäten geheim.

Hendrik Cremer vom Deutschen Institut für Menschenrechte kritisiert dagegen, dass in der Stellungnahme des Senats offenbleibe, nach welchen Kriterien die Polizei kontrolliere. „Man sieht Menschen ja nicht an, ob sie sich unrechtmäßig in Deutschland aufhalten“, sagt Cremer. „Immer wieder erleben wir in Deutschland staatliche Kontrollen, die gegen das Verbot rassistischer Diskriminierung verstoßen, da sie an die Hautfarbe eines Menschen anknüpfen.“ Dies ergab auch eine Studie des Instituts von 2001, an der Cremer mitarbeitete. Im Bundespolizeigesetz ist bislang festgeschrieben, dass die Beamten an Flughäfen und Bahnhöfen ohne besonderen Anlass Personalien überprüfen dürfen, um eine unerlaubte Einreise zu verhindern. Dabei sollen sich die Polizisten auf ihre „grenzpolizeiliche Erfahrung“ stützen.

Die Bundes-SPD forderte vor der Bundestagswahl ein härteres Vorgehen gegen Rassismus in der Gesellschaft. Neben einer Beschwerdestelle für Fälle von Fehlverhalten bei Polizei und Justiz will die SPD auch das „Racial Profiling“ berücksichtigen und schärfer dagegen vorgehen.