Die 18.900-Einwohner-Stadt zahlt Afrikanern, die ihre Identität offenbart haben, sogar Sozialhilfe

Glinde. Die Entfernung zwischen der St.-Pauli-Kirche im Herzen Hamburgs und Glinde im Süden des Kreises Stormarn beträgt gerade einmal 20 Kilometer. Was die Situationen der an den jeweiligen Standorten lebenden Lampedusa-Flüchtlinge betrifft, liegen jedoch Welten zwischen der Metropole und der 18.900-Einwohner-Stadt in Schleswig-Holstein.

Während die Afrikaner in der Hansestadt dem Senat misstrauen und in der Mehrzahl ihre Identität nicht freiwillig preisgeben, sind elf Männer in Glinde den kooperativen Weg gegangen. Sie haben sich den Behörden anvertraut – und werden in allen Belangen unterstützt. Sie erhalten nach Abendblatt-Informationen sogar Sozialhilfe.

Burkhard Peters, Landtagsabgeordneter der Grünen und zugleich Anwalt der Glinder Flüchtlinge, sagt: „Das Land Schleswig-Holstein ist für seinen zivilen Umgang in der Flüchtlingsproblematik bekannt.“ In Hamburg sei das anders, diese Erfahrung habe er in seiner Funktion als Jurist gemacht. Peters hat bereits Ende August bei der Ausländerbehörde des Kreises in Bad Oldesloe einen Antrag auf befristete Aufenthaltserlaubnis hilfsweise einer Duldung gestellt. Sein langfristiges Ziel ist es, eine unbefristete Niederlassungserlaubnis zu erreichen. Die bekämen die Flüchtlinge frühestens nach sechs Jahren.

Die elf Männer haben sich inzwischen bei der Stadt Glinde angemeldet. Sie werden dort als Obdachlose geführt, „faktisch sind sie bis Ende des Verfahrens geduldet“, sagt Peters. Die Behörde prüft sehr detailliert und macht keine Schnellschüsse. Deshalb zieht sich das Verfahren auch in die Länge.

So wurde der Jurist bereits zweimal aufgefordert, Unterlagen nachzureichen. Das ist laut Peters geschehen. „Wir fühlen uns in Glinde wohl“, sagt Zobier Abobaker, 40, aus Niger. Er und seine Freunde waren im Mai von Mustafa Tepe, Vorstand der Glinder Moscheegemeinde, in Hamburg aufgesammelt worden. Zuerst lebten die Flüchtlinge in einem Keller des Vereinsgebäudes auf 18 Quadratmetern zusammen. Jetzt ist die Stadt Glinde für sie zuständig und hat fünf von ihnen in einer Obdachlosenunterkunft untergebracht. Ende Oktober sollen die elf Flüchtlinge zusammen in eine andere Obdachlosenunterkunft ziehen. Das Gebäude wird gerade für 20.000 Euro renoviert.

Über mangelnde Unterstützung können die Afrikaner nicht klagen. Viele Menschen aus der Umgebung helfen, wo sie können. Zum Beispiel Verena Tunn, 47, Erzieherin aus Reinbek. Sie betreut die Männer täglich und wird von ihnen liebevoll „Mama Afrika“ genannt. Tunn: „Die Flüchtlinge sind der Stadt sowie der Ausländerbehörde sehr dankbar, weil gut mit ihnen umgegangen wird. Mehr Flüchtlingen kann die Stadt aber nicht helfen, die Kapazitäten sind komplett ausgelastet.“ Für Moscheevorstand Tepe steht fest: „Hamburg kann hier mal Anschauungsunterricht nehmen, was es heißt, human mit Flüchtlingen umzugehen.“