91 Jugendliche wurden mit Bertini-Preis für Zivilcourage geehrt. Sein Förderer, der Autor Ralph Giordano, konnte erstmals nicht dabei sein.

Hamburg. Zwischen Köln und Hamburg müssen die Schwingungen am Sonntagvormittag besonders intensiv gewesen sein: An der Elbe wurde der 15. Bertini-Preis verliehen, und sein großer Förderer, der Schriftsteller Ralph Giordano, konnte aus gesundheitlichen Gründen sein Heim am Rhein nicht verlassen. Zum ersten Mal fehlte Giordano, der im März 90 Jahre alt wird. Alle Preisträger und Laudatoren schickten Genesungswünsche an den Hamburger, dessen Roman "Die Bertinis" der Auszeichnung ihren Namen verschaffte.

In diesem Jahr hatten sich 19 Projekte mit rund 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmern beworben. Ausgezeichnet wurden 91 Jugendliche für ihr Engagement in sechs Projekten. Sie alle setzen erfolgreich um, was in der Erinnerung an die Vergangenheit für das Handeln in der Gegenwart aus der Sicht Giordanos erforderlich ist: "Lasst euch nicht einschüchtern." Die Preisverleihung findet alljährlich am 27. Januar statt, dem Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus.

Und so verlas Isabella Vértes-Schütter, Intendantin des Ernst Deutsch Theaters, in ihrem Haus die Rede von Ralph Giordano, der sich angesichts von Zwickauer Zelle und Nationalsozialistischem Untergrund fragt: "Wovor müssen wir uns eigentlich mehr fürchten? Vor der braunen Pest, die dabei ist, sich mitten unter uns mit sozialen und parlamentarischen Fäden geradezu wohnlich einzurichten? Oder vor der staatlichen Indifferenz ihr gegenüber?" Die demokratische Republik sei sein Elixier, seine Luft zum Atmen. Wer die Demokratie attackiere, sie gar aufheben wolle, dem versichert Ralph Giordano: "Der kriegt es mit mir zu tun, mit dem lege ich mich an, der hat mich am Hals!"

Sich einmischen, nicht wegschauen, füreinander einstehen, Zivilcourage zeigen, erinnern statt vergessen, unbequem sein statt sich anpassen - diese Werte und Handlungsmuster haben die ausgezeichneten Schülerinnen und Schüler beherzigt und mit Leben erfüllt. Da springt ein 17 Jahre alter Schüler einer attackierten Frau in der S-Bahn zu Hilfe und bezieht dann selbst Prügel. Da appelliert ein Film von vier Gymnasiasten der Klosterschule, Opfern von Gewalt in U- und S-Bahn zu helfen. Im Fahrgast-Fernsehen der Hamburger Hochbahn ist der Zwei-Minuten-Film übrigens bisher noch nicht zu sehen.

Jugendliche des Alexander-von-Humboldt-Gymnasiums haben ein Theaterstück über Cybermobbing geschrieben, und Schülerinnen und Schüler der Beruflichen Schule Bramfelder See haben Szenen zu Ehre, Respekt und Toleranz auf die Bühne gebracht.

Eine Arbeitsgruppe an der Ida-Ehre-Schule beschäftigte sich mit den Biografien jüdischer Kinder, die während der Nazizeit die damalige Jahnschule an der Bogenstraße besuchten. Und eine zwölfte Klasse der Max-Brauer-Schule kämpfte zusammen mit vielen Mitstreiterinnen und Mitstreitern in Hamburg dafür, dass ihre Mitschülerin Fabiola und deren Familie hier bleiben dürfen.

"Demokratie funktioniert nicht von alleine", sagte Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (SPD) in ihrer Festrede. "Eure Arbeiten schlagen Brücken zwischen damals und heute. Aus der Geschichte für heute zu lernen ist eure Leistung und euer Verdienst."