Seit Sonntag ist das Regieren für Angela Merkel deutlich schwieriger geworden

Zumindest Philipp Rösler hat das Ergebnis der FDP bei der Landtagswahl richtig einzuschätzen gewusst. Der Parteichef verzichtete auf jedes Triumphgeheul, fast schien ihm das Ergebnis in Niedersachsen peinlich zu sein. Nie zuvor bekamen die Liberalen zwischen Ems und Elbe so viele Stimmen. Und doch sind die knapp zehn Prozent kein Zeichen der Stärke, sondern eines der Schwäche. Es war kein Ergebnis, das aufbaut auf überzeugender Programmatik oder geschätzten Charakterköpfen, sondern allein auf strategischem Denken der Wähler und der Bereitschaft zu Leihstimmen. Rund 80 Prozent der FDP-Wähler, so Demoskopen, sind eigentlich CDU-Anhänger. Hätten diese die Union gewählt, hätte McAllister 44 Prozent der Stimmen bekommen. Zwar hätte auch das nicht zum Machterhalt gereicht, doch wäre er als Sieger abgetreten - und die CDU-Fraktion im Landtag eine stärkere Opposition. Die Union, die im vergangenen Landtag noch auf 69 Sitze kam, wird nun nur mit 54 Abgeordneten vertreten sein. Nicht wenige CDU-Opfer sehen die Leihstimmenkampagne nun mit anderen Augen - für sie sind die Liberalen keine Partner, sondern Parasiten.

Unmissverständlich fiel die Reaktion in Berlin aus: So deutlich wie am Montag ging die Union selten auf Distanz zur FDP. Dort ist man des Schauspiels einer Partei im Todeskampf überdrüssig, die bis zu den Umfragen erledigt scheint und am Wahlsonntag plötzlich und wundersam aufersteht. Zudem reagieren Unionspolitiker genervt auf eine Laienspielschar, die statt Inhalte vor allem Intrigen und Dolchstöße, Zank und Hader zelebriert.

Eine Wiederholung des Ergebnisses vom Sonntag bei der Bundestagswahl ist der Albtraum der Union. Die CDU kämpft fortan für sich allein - zumal sie als mutmaßlich stärkste Partei mehrere Machtoptionen hat. Sie ist auf die Liberalen nicht unbedingt angewiesen. Die FDP wiederum, mit Rainer Brüderle und Philipp Rösler als neuer Doppelspitze, darf nicht länger auf Leihstimmen hoffen, sondern muss sich inhaltlich positionieren - in Abgrenzung zur Union. Koalitionsstreitereien stehen damit mehr noch als zuvor auf der Tagesordnung. Das Regieren ist für Angela Merkel deutlich schwieriger geworden.

Beschlossen wird bis September nur noch wenig, zumal Rot-Grün nun im Bundesrat die Mehrheit besitzt. Erstmals seit 1999 können Sozialdemokraten und Grüne gemeinsam die Bundesregierung ausbremsen und blockieren. Man erinnere sich: Auch vor der Bundestagswahl 1998 hatte eine linke Mehrheit dem damaligen Kanzler Helmut Kohl das Leben schwer gemacht und den Wechselwillen im Lande geschürt. Seit Sonntagnacht befindet sich das Land im Wahlkampfmodus.

Für die SPD ist der lange erwartete und zuletzt nicht mehr für möglich gehaltene Einzug in die niedersächsische Staatskanzlei ein Neustart im Kampf ums Kanzleramt. Zwar wird Peer Steinbrück durch den Erfolg seines Parteifreundes Stephan Weil nicht sympathischer, das Ergebnis von Niedersachsen aber schenkt der verunsicherten SPD neuen Mut. Sympathiewerte allein, so lautet die Botschaft aus Hannover, entscheiden das Rennen nicht. Der Vorsprung von McAllister auf Weil war fast so groß wie der von Merkel auf Steinbrück.

Strukturell hat die Linke im Land eine knappe Mehrheit. Das Scheitern der Linkspartei und der Piraten dürfte ebenfalls Folgen haben: Wenn diese Parteien weiter schwächeln, dürfte dies dem rot-grünen Lager zusätzlich Stimmen bringen.

Wer die Bundestagswahl in den vergangenen Wochen schon für entschieden hielt, wurde am Sonntag eines Besseren belehrt. Immerhin liegt für die Union darin eine Chance - sie wird nicht den Fehler machen, die Wahl im September für einen Selbstläufer zu halten.