Straßen stoßen an Grenze ihrer Kapazität. FDP kritisiert “Chaos“ durch Baustellen. Abendblatt zeigt, wo Radler und Autos künftig die Fahrbahn teilen.

Oftmals genügen schon ein Falschparker, ein liegen gebliebenes Fahrzeug oder ein kleiner Auffahrunfall, um während der Hauptverkehrszeit in der Hamburger Innenstadt ein Verkehrschaos auszulösen. Und obwohl der Autoverkehr nach Angaben des ADAC in der Hansestadt seit Jahren stetig abnimmt, befinden sich die Kapazitäten der Hauptverkehrsstraßen laut Carsten Willms, dem verkehrspolitischen Sprecher des Verbands, am Limit. "Eine Ministörung genügt, um für stockenden Verkehr zu sorgen", erklärt Willms. "Und spätestens bei schlechtem Wetter im Winter fahren die Autofahrer vorsichtiger, obwohl es keinen Grund dafür gibt. Eine verstopfte Innenstadt ist programmiert."

Kommen jetzt noch groß angelegte Baustellen hinzu - für den heutigen Tag zählt die Koordinierungsstelle: Baumaßnahmen Hauptverkehrsstraßen (KOST) 97 städtische Baustellen im Hamburger Stadtgebiet - kommt es an ungünstigen Tagen fast zu einem Erliegen des Verkehrs in der Innenstadt. Ein bekannter Staufaktor: die Baumaßnahmen rund um den Dammtorbahnhof, die bereits seit Ende März 2010 dauern und nach Angaben der Deutschen Bahn Ende des Jahres abgeschlossen sein sollen. Über lange Zeiträume hinweg - auch derzeit - ist die Straße Dammtordamm wegen der aufwendigen Brückenbaumaßnahmen für Autos und Busse voll gesperrt.

"In Kombination mit den Baustellen, die sich im Rahmen des Busbeschleunigungsprogramms derzeit auf der Grindelallee befinden, herrscht hier zeitweilig ein regelrechtes Chaos", kritisiert FDP-Verkehrsexperte Wieland Schinnenburg. "Die Baustellenkoordinierung ist eine Katastrophe." In die gleiche Kerbe schlägt auch Klaus-Peter Hesse aus der CDU-Bürgerschaftsfraktion. "Es ist klar, dass die Baustellen nötig sind, jedoch wird konzeptlos drauflosgebaut. Der Verkehrssenator Frank Horch (parteilos) entwickelt sich immer mehr zum Stausenator."

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Diese Aussage will man jedoch seitens der Verkehrsbehörde nicht stehen lassen. "Man steckt bei dieser Problematik immer wieder in einem Dilemma. Baut man nicht, werden die Straßen immer schlechter - das kann nicht das Ziel sein", sagt Behördensprecherin Susanne Meinecke. "Baut man, zieht das Behinderungen nach sich. Es ist aber eine wichtige Aufgabe der Wirtschafts- und Standortpolitik, geeignete Infrastruktur in gutem Zustand vorzuhalten." Wolle man Wirtschaftsmetropole bleiben, müsse die Infrastruktur nicht nur saniert und erhalten, sondern auch ausgebaut werden.

Mit dieser Aussage sind die groß angelegten Baumaßnahmen auf der Autobahn 7 nördlich und südlich des Elbtunnels gemeint. Wie das Abendblatt berichtete, werden wohl bis in die kommenden zwei Jahrzehnte hinein immer wieder Abschnitte der Autobahn ausgebaut und saniert. Gerade erst wurde bekannt, dass der Abschnitt südlich des Elbtunnels, der eine Brückenkonstruktion ist, komplett saniert werden muss. Zu der Terminierung und den Baukosten dafür gebe es laut Behörde noch keine Erkenntnisse, jedoch betonte Staatsrat Andreas Rieckhof, dass diese Maßnahmen erst in Angriff genommen werden, wenn alle Maßnahmen nördlich der Elbe abgeschlossen sind, "und dann sind wir im Jahr 2030 angelangt."

Sollte dies so vonstattengehen, sieht der ADAC dadurch auch den innerstädtischen Verkehr massiv belastet. Anders als in Städten wie Berlin und München kann die Stadt nicht umfahren werden. Der Nord-Süd-Verkehr muss den Elbtunnel passieren oder direkt durch die Stadt fahren. "Man muss ganz klar sagen: Die Baumaßnahmen auf der A 7 sind eine Operation am offenen Herzen - und es gibt keinen Bypass, um die Behinderungen zu umfahren", erklärt Sprecher Carsten Willms. "Konzipiert wurden die derzeitigen drei Elbtunnelröhren für rund 60 000 Autos pro Tag - faktisch passieren aktuell doppelt so viele den Tunnel. Eigentlich ist es ein Wunder, dass der Verkehr heute noch so verhältnismäßig gut fließt."