Bei vielen Schülern mangelt es an Motivation, hieß es bei der Bilanz der neuen Lernförderung. Honorarkräfte verdienen 15,97 Euro je 45 Minuten

Hamburg. Der Ort für die Verkündung der frohen Botschaft war mit Bedacht gewählt. Das Gymnasium Lerchenfeld an der Mundsburg gehört zu den 280 (von 299) staatlichen Schulen, an denen die kostenlose Lernförderung bereits seit dem Sommer praktiziert wird. Und Schulleiter Christian Klug kann sehr anschaulich berichten, warum er die Nachhilfe auf Staatskosten für eine gute Sache hält. Bei mindestens der Hälfte der Schüler mit Lernschwierigkeiten sei nämlich vor allem die Motivation das Problem - und da helfe der Zwang, das Förderangebot am Nachmittag anzunehmen, durchaus weiter.

"Eine Fünf bewirkt Freizeitentzug für die Schüler", so Klug. "Die fragen sich dann sehr ernsthaft: ,Was muss ich tun, um auf eine Vier zu kommen, damit ich wieder zum Fußball gehen kann?'"

Bei solchen Sätzen konnte sich Schulsenator Ties Rabe (SPD) ein Lächeln nicht verkneifen. Denn dass die erste Bilanz, die er gestern zu der neuen Lernförderung vorstellte, zumindest aus seiner Sicht eine Erfolgsgeschichte sein würde, hatte sich lange nicht abgezeichnet. Rückblick: Es war die CDU/GAL-Regierung, die im Zuge der Schulreform das Sitzenbleiben abgeschafft hatte. Parallel dazu war das Programm "Fördern statt Sitzenbleiben" aufgelegt worden. Aus Sicht von Rabe lag bei seiner Amtsübernahme im März jedoch noch kein ausgereiftes Konzept vor. Und so verknüpfte er die 1,2 Millionen Euro jährlich für "Fördern statt Wiederholen", wie es jetzt heißt, mit den drei Millionen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket des Bundes und stockte alles zusammen auf 7,8 Millionen Euro pro Jahr auf. Heraus kam die "kostenlose Lernförderung" an Schulen, die es bundesweit so nur in Hamburg gibt und die im Sommer startete.

Doch schnell erwies sich als Problem, dass knapp zwei Drittel der Nachhilfekurse von Honorarkräften betreut werden. Denn laut einem Gerichtsurteil aus Niedersachsen dürfen die Schulen solche "Regelaufgaben" nicht an Honorarkräfte vergeben. Zwischenzeitlich weigerten sich Schulleiter aufgrund der rechtlich heiklen Situation sogar, freie Mitarbeiter einzustellen. Eine eilige Überarbeitung der Musterverträge schaffte zwar Abhilfe, aber auch ein neues Problem, so der CDU-Schulexperte Robert Heinemann. Der Vertragspassus "Der Auftragnehmer ist insbesondere in der inhaltlichen Gestaltung seiner Tätigkeit an keine besonderen Vorgaben gebunden" entziehe die Honorarkräfte praktisch der Kontrolle. "Auf gut Deutsch: Die Nachhilfe erfolgt ohne jede Koordination mit der Schule oder dem Fachlehrer", so Heinemann. "Damit ist die Qualität der Nachhilfe in keiner Weise gewährleistet."

Auch Schulleiter Klug hat ein Problem mit den Honorarkräften: Für den auf 15,97 Euro pro 45 Minuten gedeckelten Honorarsatz finde sich kaum qualifiziertes Personal. "Ich würde mir dringend wünschen, dass das zu einem Orientierungssatz erklärt wird", so Klug. Ties Rabe konterte: Jeder Schule stehe es frei, mehr zu bezahlen - die Mittel würden aber nicht aufgestockt. Im Übrigen seien 15,97 Euro für 45 Minuten für junge Leute viel Geld, so der Senator: "Meine Tochter studiert und jobbt für 5,22 Euro die Stunde im Supermarkt."

GAL-Schulexpertin Stefanie von Berg stört sich daran, dass acht Prozent der Nachhilfe von gewerblichen Anbietern bestritten wird. "Kommerzielle Interessen haben nichts in Schulen zu suchen", sagt sie. "Außerdem handelt es sich um eine staatliche Subventionierung des Nachhilfesektors. Wie ein Schulsenator dies verantworten kann, ist mir unbegreiflich."

Von all dem ließ sich Rabe aber in seinem Urteil nicht beirren. Er hob vor allem die Tatsache hervor, dass nur wenige Monate nach dem Start fast alle staatlichen Schulen mitmachen und bereits für knapp 7700 Schüler eine Förderung organisieren. "Die kostenlose Nachhilfe ist gut gestartet."