Acht Millionen Menschen haben das meistbesuchte Musical Hamburgs, den “König der Löwen“, schon gesehen. Das Geheimnis des Erfolgs.

Hamburg. Selbst hinter den Kulissen sind die Zahlen rekordverdächtig: Die Maskenabteilung hat 17.500 Boxen Kosmetiktücher, eineinhalb Tonnen Make-up und 4400 Paar Kunstwimpern verbraucht. Für die Kostüme wurden mehr als 3000 Rollen Garn, 560 Meter handbemalte Seide und 60 Kilogramm Federn verarbeitet.

Zehn Jahre Musicalbetrieb bei "Der König der Löwen" haben eine Menge Material verschlungen und einen Rekord hervorgebracht: Mehr als acht Millionen Besucher haben sich die Show schon angesehen. Damit hat sie "Cats" und "Das Phantom der Oper" überholt und ist das meistbesuchte Musical Hamburgs. Das alles wird heute mit einer großen Gala im Theater im Hafen gefeiert. Aber was ist das Erfolgsgeheimnis des kleinen Löwen Simba, der um seinen Platz in der Welt kämpft?

Für Johannes Mock-O'Hara, Geschäftsführer des Musicalproduzenten Stage Entertainment, ist die Sache klar: "Jahr für Jahr besuchen rund 800.000 Zuschauer eine Vorstellung des Musicals. Ich wüsste kein Live-Entertainment-Event in Deutschland, das da auch nur annähernd mithalten könnte." Selbst Mitbewerber attestieren dem Löwenkönig etwas Besonderes. "Dass das Musical nun schon zehnten Geburtstag feiern kann, liegt an der Qualität und der Aussicht vom Theater aus auf den Hafen", sagt Musicalproduzent Friedrich Kurz, 63. "Ich sehe da eine große Zukunft." Kurz holte 1986 das Musical "Cats" nach Hamburg, das 15 Jahre lang im Operettenhaus aufgeführt wurde, und später "Das Phantom der Oper". Auch dass die Rollschuhzüge des "Starlight Express" durch Bochum düsen, ist Kurz zu verdanken. Die Qualität und der Standort sind seiner Meinung nach die beiden wichtigsten Merkmale für den Erfolg eines Musicals. "Ich glaube nicht an Tourneetheater", sagt Kurz. Es bedürfe eines Ortes, der fest mit einer Show verbunden ist. "Und Hamburg ist ein toller Standort."

+++ Kultur, die Geld bringt +++

+++ Jeder Dritte bleibt über Nacht +++

+++ Joachim Benoit steht seit zehn Jahren auf der Löwenbühne +++

So sieht es auch Kim Moke, 59, die vor 26 Jahren aus den USA an die Elbe kam, um von der Musicaldarstellerin zur Dozentin zu werden. Heute ist sie Mitinhaberin der Stage School Hamburg und unterrichtet Liedinterpretation. Sie kann das Musicalgeschäft in Deutschland gut mit dem in ihrem Heimatland vergleichen. "In Amerika haben Musicals eine lange Tradition", sagt sie. "Die Kinder wachsen damit auf, und in jeder Schule gibt es eine Musicalgruppe. Dadurch kennen wir viel mehr Shows als die meisten Europäer." Zudem funktioniere nicht jede Geschichte eines US-Autors auch bei deutschem Publikum. "West Side Story" und "42nd Street" spielen in New York. Mit dieser Lebenswelt kann eine Hamburg-Touristin aus der Provinz eher weniger anfangen. "Aber bei 'Der König der Löwen' handelt es sich um ein sehr universales Thema", sagt Moke. "Da kann man mit dem fünfjährigen Kind und der 80-jährigen Oma hineingehen."

Das Visuelle, die kreativen Kostüme und Effekte, die Anfahrt mit der Fähre und ein Disney-Kinofilm, den Millionen Menschen kennen, tun ihr Übriges. "Zudem fällt es vielen leichter, sich mit Tieren zu identifizieren als mit einer Figur, hinter der ein bekannter Darsteller steckt", sagt Kim Moke. "So ähnlich wie bei 'Cats'."

Wolf Kerschek, 24, Komponist und Leiter der Jazzabteilung an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg, sagt: "Es waren einfach alle Voraussetzungen gegeben, aber das ist noch keine Erfolgsgarantie. Am Ende gehört auch etwas Glück dazu." Kerschek beeindruckt die Qualität des Musicals. "Das sind tolle Schauspieler und Musiker", sagt er. Und auch die Exotik Afrikas sei ins Theater am Hafen geholt worden, ohne sie zu verkitschen - das gelinge selten. Kerschek: "Die Tänze, die Sprache und Kostüme sind sehr authentisch. Das zeigt, mit welchem Respekt an die Sache herangegangen wird."

Die wichtigste Botschaft des Musicals sei, dass man auch mal ein Experiment riskieren muss. Denn mit der Regisseurin und Kostümentwicklerin Julie Taymor habe der Disney-Konzern bei der Entwicklung eine echte Künstlerin engagiert und sie einfach, ohne ihr hineinzureden, machen lassen. "Deshalb ist 'Der König der Löwen' ein gutes Beispiel dafür, was herauskommen kann, wenn kreative Kunst und kommerzielle Unterhaltung zusammenarbeiten", so Kerschek. "Das ist gute Unterhaltung. Und gute Unterhaltung ist nichts Schlechtes." Das sieht auch Kultursenatorin Barbara Kisseler (parteilos) so, für die Musicals Teil einer lebendigen Kulturlandschaft sind: "Stage Entertainment schafft mit dem 'König der Löwen' seit zehn Jahren so etwas wie ein 'Gesamtkunstwerk' aus Hafen, Elbe und professioneller Unterhaltung."