Musicals wie der “König der Löwen“ sind für Hamburg eine wichtige Standortwerbung.

Als Politiker dürfte er bei den meisten Hamburgern längst in Vergessenheit geraten sein, wenn auch sein Rücktritt gerade erst ein Jahr zurückliegt. Ein Rücktritt, mit dem der damalige Finanzsenator Carsten Frigge (CDU) eine Regierungskrise auslöste und letztendlich das Experiment Schwarz-Grün beendete.

Bei den meisten Hamburgern ist der Ex-Senator vergessen - sicher aber nicht bei vielen Kulturschaffenden. War es doch Frigge, der die Zuschüsse des Landes beispielsweise an die großen Bühnen deutlich kürzen wollte und seinen Spaß daran hatte, mit solchen Vorschlägen öffentlich zu provozieren.

So rechnete er Kulturschaffenden gerne vor, dass jedes Opernticket in der Hansestadt mit mehr als 100 Euro bezuschusst und damit etwa zu zwei Dritteln bezahlt werde, während die Musicals ohne Staatszuschuss auskämen. Frigge ist Vergangenheit, doch seine damaligen Pläne lösen bei Kulturschaffenden heute noch Empörung aus.

Aber warum eigentlich? Ist es verwerflich, dass Musicals und somit Kultur Geld verdienen? Ist eine Bühnenaufführung nur dann Kultur, wenn hohe staatliche Zuschüsse geflossen sind? Wenn zum Verständnis des Stückes ein Hochschulabschluss nötig ist?

Seit zehn Jahren läuft im Musicaltheater im Hafen der "König der Löwen". Zugegeben, es ist kein Stück, das einen schlauer macht oder intellektuell packt. Aber es ist erfolgreich. Mit mehr als acht Millionen Zuschauern ist der "König der Löwen" das erfolgreichste Musical in Hamburg, noch deutlich vor dem "Phantom der Oper" oder vor "Cats".

Acht Millionen Zuschauer in zehn Jahren haben dem Veranstalter Stage Entertainment mehrere Hundert Millionen Euro Umsatz beschert. Aber nicht nur der Unterhaltungskonzern und seine mehr als 1000 Hamburger Beschäftigten profitieren von dem Reiz, den die Aufführung offensichtlich immer noch bundesweit ausstrahlt. Für 40 Prozent aller privaten Übernachtungsgäste in Hamburg ist ein Musicalbesuch der Reiseanlass, hat Hamburg Tourismus herausgefunden. In der Untersuchung steht auch: Seit dem Start von "Cats" sind die Übernachtungszahlen überproportional zum Bundesdurchschnitt gestiegen; die Musicalbesucher haben mehr als 500 Millionen Euro (Tickets und Catering nicht eingerechnet) in Hamburg ausgegeben.

Diese Zahlen belegen, dass Musicaltheater mehr sind als simple Unterhaltungsfabriken. Sie sind Arbeitgeber und wichtige Standortwerbung. Neben - oder besser gesagt nach - New York und London gilt Hamburg inzwischen als die Musicalstadt schlechthin. Sie sind Imagewerbung. Und vielleicht sind sie ja auch für Besucher die erste Begegnung mit Kultur, eine, die Hemmschwellen abbauen und Lust auf mehr machen kann. Auf Theater, Konzerte oder die Oper.

Zumindest in einem Punkt hat der Unternehmensberater und ehemalige Finanzsenator Carsten Frigge unrecht: Ein Bundesland lässt sich nicht führen wie eine Firma, ein öffentlicher Haushalt nicht sanieren wie ein klammes Unternehmen. Es ist vornehme Aufgabe und Bildungspflicht, Kultur zu finanzieren. Intendanten in die Hansestadt zu holen, die Stücke von bundesweiter Beachtung auf Hamburger Bühnen bringen. Die Schauspieler oder Musiker entdecken und fördern, die Hochgenuss bieten.

Nur: Wer verbietet den staatlich subventionierten Bühnen - das gilt auch für Museen -, auch kommerziell etwas erfolgreicher zu sein? Ist es grundsätzlich verwerflich, populäre Stücke aufzuführen, die Massen begeistern?

Musicals wie der "König der Löwen" tun das offensichtlich - sie begeistern. Selbst wenn oder vielleicht auch weil sie schnulzig sind und verspielt, weil hier Disney auf der Bühne stattfindet. Das ist auch die Kritik, die sich der Musicalgigant Stage gefallen lassen muss. Die Stücke und ihre Inszenierungen ähneln einander stark, egal ob es um singende Löwenkinder, Lianen schwingende Urwäldler oder boxende Geldeintreiber geht. Das ist die Kehrseite des Quasi-Monopols.