Sonnabend wollen 1800 Menschen in der Innenstadt für den Bauwagenplatz Zomia demonstrieren. Polizei rechnet mit Ausschreitungen.

Hamburg. Es geht um ein paar Freunde alternativer Wohnformen, die eine Bleibe suchen. Und einen Bezirksamtsleiter, der sich keinen Zentimeter bewegen will. Der Streit um den Bauwagenplatz Zomia, der zum Ende dieser Woche geräumt werden könnte, nimmt groteske Formen an. Längst wurde Zomia von Teilen der linken Szene zum Sinnbild einer neuen Repression verklärt: "Eure Luft wird brennen, wenn ihr uns nicht atmen lasst!" heißt es auf einem im Internet verbreiteten Plakat.

Höhepunkt der Auseinandersetzung zwischen Bezirksamtsleiter Markus Schreiber (SPD) und zum Teil gewaltbereiten Aktivisten, auf deren Konto möglicherweise auch mehrere Farbanschläge auf Politiker gingen, könnte eine Demonstration am Sonnabend werden. "Zomia verteidigen. Schreiber abschreiben. Alternatives Leben durchsetzen" ist das Motto, der Veranstalter hat 1800 Demonstranten angemeldet. Die Polizei hält diese Zahl für realistisch. Hundertschaften aus anderen Bundesländern sollen ihre Hamburger Kollegen unterstützen. Denn unter den genannten Vorzeichen geht die Polizei nicht davon aus, dass es im Verlauf der Veranstaltung friedlich bleiben wird. Im Gegensatz zur Mietendemo am vergangenen Sonnabend mit knapp 4000 Teilnehmern wird am Sonnabend kaum "bürgerliche Klientel" erwartet, sondern die von den Schanzenfesten bekannte Mischung aus linker Szene und gewaltbereiten Autonomen. Zumal die Demo erst gegen 15 Uhr starten soll - am Millerntor. Die Polizei erwartet, dass sich viele St.-Pauli-Fans nach dem Spiel gegen Greuther Fürth dem Aufmarsch anschließen werden. Dies ist wohl auch im Sinne der Organisatoren. Eine heiße dritte Halbzeit droht.

+++ Bezirksamt ordnet Räumung von Bauwagenplatz an +++

+++ Auch SPD-Fraktion Mitte will Zomia-Bauwagenplatz räumen +++

Denn auch im Internet wird Stimmung gemacht: Auf einen Gewaltappell, in dem es heißt "Wir rufen dazu auf, dem Bezirksamt Mitte in offener Feindschaft gegenüberzustehen. Wir werden - sofern Schreiber seine eskalative Strategie fortsetzt - militante Aktionen durchführen", folgte ein Lageplan mit möglichen Angriffszielen, darunter die Polizeiwache an der Georg-Wilhelm-Straße, Supermärkte, Tankstellen, das SPD-Stadtteilbüro an der Veringstraße und mehrere Immobilienbüros. Zudem listen die Autonomen als potenzielles Anschlagsziel auch die Bahn-Trasse auf, die von den ICEs Richtung Hannover und von den S-Bahnen genutzt wird - und erinnern damit an die Brandanschläge auf das Bahnnetz in und um Berlin vor gut zwei Wochen.

Die Polizei hat ein Strafverfahren wegen "öffentlichen Aufrufs zu Straftaten" eingeleitet. "Es ist schon eine neue Erscheinungsform. Aber es ist noch zu früh, von einer neuen Form der Radikalisierung zu sprechen", sagte Sprecher Mirko Streiber. Auch Verfassungsschutz-Chef Manfred Murck warnt davor, solche Darstellungsformen im Internet überzubewerten: "Wir nehmen solche Gewaltappelle natürlich ernst, sehen sie aber auch als eine gewisse Machtfantasie Einzelner oder kleiner Gruppen. Auch in Teilen der linken Szene werden derartige Veröffentlichungen skeptisch und oft als überzogen betrachtet." Der Staatsschutz im Landeskriminalamt nimmt die im Internet veröffentlichte Karte ernst. Die angegebenen Orte sind den Ermittlern als mögliche Ziele allerdings nicht unbekannt. Die Karte soll nach Überzeugung der Beamten zum einen für Unruhe bei der Bevölkerung und der Polizei führen und zum anderen weniger Informierten mögliche Ziele aufzeigen.

Simon, einer der 15 Zomia-Bewohner, will sich zu den Gewaltdrohungen nicht äußern. Stattdessen weist er auf die Demonstration am Sonnabend hin - und auf einen Lesemarathon am 13. November auf dem Wagenplatz. "Falls wir dann noch da sind", sagt er. "Amtschef Markus Schreiber lässt sich nicht erweichen."

In der Tat erklärt Schreiber immer wieder, hart bleiben zu wollen. "Ich halte mich an das Gesetz. Das Areal gehört zu einer Industriefläche. Dort dürfen die Wagen nicht dauerhaft stehen. Die Bezirksverwaltung Mitte hat zudem entschieden, dass der Bauwagenplatz aufgelöst wird", sagte er. Außerdem hätten die Bauwagenleute eine Duldungsverfügung, die ihnen einen weiteren Aufenthalt garantiert hätte, nicht unterzeichnet. "Die haben sich geweigert, ihre Personalausweise zu zeigen. Das geht gar nicht", so Schreiber.

Zomia-Bewohner Simon indes erzählt das Gegenteil. Stets habe man Gesprächs- und Kooperationsbereitschaft gezeigt.