Was darf die Polizei? Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet über eine Klage aus Hamburg. Datenschützer kritisch gegenüber Kameras.

Hamburg/Leipzig. Wie weit darf die Überwachung öffentlicher Straßen und Plätze mit Videokameras gehen? Von morgen an beschäftigt diese Frage das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Verhandelt wird in letzter Instanz die Klage einer Hamburgerin, die sich gegen die Videokameras an der Reeperbahn wehrt, weil sie ihr Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt sieht.

Die insgesamt zwölf Aufzeichnungsgeräte waren 2006 für 620.000 Euro installiert worden. Diese Rund-um-die-Uhr-Überwachung war vom damaligen CDU-Senat als vorbeugende Maßnahme initiiert worden, nachdem die Zahl der Körperverletzungsdelikte auf der Reeperbahn stark gestiegen war. Ein Gutachten belegte indes nach vier Jahren die Untauglichkeit der Videokontrollen.

Das Urteil aus Leipzig wird auch deshalb mit großer Spannung erwartet, weil es Polizeikameras an vielen Kriminalitätsschwerpunkten in Deutschland gibt. Die Richter werden auch klären müssen, ob sich die Hamburger Polizei bei Video-Aufzeichnungen auf ein Landespolizeigesetz stützen darf. "Ein präventiver Effekt durch die Überwachung konnte bislang jedoch nicht nachgewiesen werden", sagt der Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar. Insofern sei fraglich, ob Hamburg neben den bundesgesetzlichen Regelungen der Strafprozessordnung auch eine Landesgesetzgebungskompetenz habe.

+++ "Kameras sind auf Friedhöfen tabu" +++

+++ Kameras in Hamburg +++

Insgesamt gibt es in und an Hamburgs öffentlichen Einrichtungen sogar mehr als 10.000 Videokameras, die die Bürger überwachen. Das geht aus der Antwort des Senats auf eine Kleine Anfrage des FDP-Datenschutzexperten Finn Ole Ritter hervor. Allein die städtischen Behörden und Betriebe haben danach rund 2100 Geräte installiert, hinzu kommen gut 8000 Kameras in Bussen, Bahnen und an Haltestellen des öffentlichen Nahverkehrs.

Schon seit Herbst 2010 überprüfen Hamburgs Datenschützer, ob die Behörden und öffentlichen Einrichtungen der Stadt sich dabei an das Hamburgische Datenschutzgesetz halten. Dieses war 2010 in Teilen neu gefasst worden. Die Behörden seien aufgefordert worden, genau Auskunft darüber zu geben, warum sie wo und wie Kameras einsetzen, sagt Caspar.

Von 43 Betreibern, darunter die Universität und die Handwerkskammer, seien bisher 1147 Kameras gemeldet worden. Zahlreiche Stellen seien ihrer Pflicht zur Neubewertung ihrer Videoüberwachungsanlagen jedoch noch nicht nachgekommen, kritisierte FDP-Datenschutzsprecher Ritter.

Die jetzt in Leipzig verhandelte Klage beschäftigt die Gerichte seit Jahren. Die Hamburgerin Alja R. hatte bereits erfolgreich vor dem Verwaltungs- und Oberverwaltungsgericht gegen die Überwachung geklagt und erreicht, dass die zwölf Kameras mit 360-Grad-Drehtechnik und Zoomfunktion so präpariert werden mussten, dass sie auf Schwarz schalten, sobald bei einem Schwenk Balkone, Fenster oder die Eingangsbereiche von Wohnhäusern in den Fokus gerieten. Seit Mitte vergangenen Jahres werden die Kameras nur noch "anlassbezogen" aktiviert - etwa bei größeren Veranstaltungen wie dem Schlagermove oder Demonstrationen.