Vorwurf gegen den Bauleiter: Er ließ zehn Bäume fällen. 25 Zeugen können das bestätigen. Der Schaden beträgt 33.500 Euro.

Hamburg. Den Hamburgern lässt man besser ihre Bäume, sonst zieht man sich deren Zorn zu. Diese Erfahrung muss nun ein Bauleiter machen, der im Verdacht steht, ein Baumfrevler zu sein. Die stattliche Zahl von 25 Zeugen listet die Staatsanwaltschaft in ihrer Anklageschrift gegen Joachim D. auf - in der Mehrzahl Spaziergänger am Blankeneser Sven-Simon-Park. D. soll laut Ermittlungen für das illegale Abholzen von zehn Bäumen verantwortlich sein - nur um bei einem luxuriösen Bauprojekt für einen freien Elbblick zu sorgen. Das bestätigte Oberstaatsanwalt Wilhelm Möllers dem Abendblatt auf Anfrage. "Die Anklage lautet auf Sachbeschädigung."

Laut Anklage soll D. zwischen Januar und Juni 2008 an drei Tagen selbst die Säge angesetzt oder bislang unbekannte Mittäter die Abholz-Arbeiten verrichten lassen haben. Eine Zeugin habe ihn mit einer gelben Säge gesehen, eine detaillierte Personenbeschreibung abgegeben und ihn später auf einem Foto wiedererkannt. Bei den zehn Bäumen handelt es sich um zwei 20 und 60 Jahre alte amerikanische Roteichen, drei Stieleichen (30, 35, 50 Jahre), zwei Rotbuchen (30, 50 Jahre), zwei Birken (etwa je 25 Jahre) sowie eine 15 Jahre alte Eberesche. Der Schaden beträgt laut Staatsanwaltschaft 33 500 Euro.

Alle Bäume standen auf öffentlichem Grund, dem Sven-Simon-Park. Sie waren damit Eigentum der Stadt Hamburg. Sie sollen den Blick von dem direkt angrenzenden Grundstück am Grotiusweg auf die Elbe verstellt haben, auf dem acht große Luxuswohnungen in zwei Villen gebaut wurden. Ein Projekt des Bauinvestors Dirk K. Auch er geriet neben seinem Bauleiter Joachim D. ins Visier der Fahnder. Im Dezember 2008 durchsuchten sie die Wohnungen der beiden. Das Ermittlungsverfahren gegen K. wegen des Verdachts des Abholzens hat die Staatsanwaltschaft mangels Beweisen Ende 2009, wie berichtet, eingestellt.

Doch die bis zu zweieinhalb Millionen Euro teuren Wohnungen wird Dirk K. trotzdem nicht los. Die Staatsanwaltschaft hatte sogenannte Arrest-Hypotheken in Höhe von je 50 000 Euro auf fünf der noch nicht verkauften Domizile im Grundbuch erwirkt. Laut Ermittler habe das Fällen der Bäume, "das allein dazu diente, einen freien Blick auf die Elbe zu schaffen", den Wert der Immobilie um 250 000 Euro gesteigert. Laut Thomas Bliwier, Rechtsanwalt von Dirk K., schrecke dies potenzielle Käufer ab. Bislang sei keine dieser fünf Wohnungen verkauft worden. Dies war auch das Ziel der Staatsanwaltschaft. "Die Grundstücksverwaltungsgesellschaft von Herrn K. ist alleinige Nutznießerin des Abholzens", sagt Oberstaatsanwalt Möllers.

Wann der Prozess beginnt, ist noch völlig offen. Bauleiter Joachim D., der für das Abendblatt nicht erreichbar war, bestreitet gegenüber den Ermittlern die Vorwürfe. Bei den 25 Zeugen handele es sich nicht um "unmittelbare Zeugen", räumt die Staatsanwaltschaft ein. "Wir stützen unsere Anklage auf eine Indizienkette", sagt Möllers. Gleichzeitig wird das Gericht neben der Schuld oder Unschuld des Bauleiters auch über die Arreste auf die fünf Luxuswohnungen entscheiden. Verteidiger Thomas Bliwier kündigt an, ein Gutachten vorzulegen, aus dem hervorgehe, dass es keinen Wertzuwachs durch das Abholzen gegeben habe. Darüber hinaus bezeichnete Bliwier das eingestellte Strafverfahren gegen K. als "Vehikel, um die finanziellen Interessen der Staatsanwaltschaft zu transportieren".

Sollte das Gericht den Vorwurf der Staatsanwaltschaft bestätigen, kann es für die Immobilienfirma von Investor Dirk K. teuer werden. Dann könnte der von den Ermittlern vermutete Gewinn in Höhe von 250 000 Euro abgeschöpft und dem Fiskus zugeführt werden - wegen rechtswidriger Bereicherung.

Richtig teuer kann es auch für Bauleiter Joachim D. werden. Wird er verurteilt, käme eine Entschädigungsforderung auf ihn zu. Zwar fiele der Verstoß gegen die Baumschutzverordnung und das Naturschutzgesetz weg; dies sind lediglich Ordnungswidrigkeiten. Illegales Abholzen von Bäumen aber ist Sachbeschädigung und damit eine Straftat. Es drohen bis zu zwei Jahre Haft.