Trotz Pannen geht die Sanierung voran: Am 31. Oktober wird die Kirche wieder eröffnet - mit Sitzheizung, neuer Lüftung und High-Tech-Lichtanlage.

Hamburg. Der Lärm ist ohrenbetäubend. Eine Elektrosäge kreischt, Hammerschläge dröhnen. Eisenstangen scheppern beim Abbau des gewaltigen Innengerüstes, das noch vor einigen Wochen bis unter die Decke des Kirchengewölbes reichte. Die Sanierungsarbeiten in der Hauptkirche St. Michaelis laufen auf Hochtouren.

Heino Owczarzewicz (55) steht im sogenannten Kirchensaal des Michels, auf der Südempore, rechts neben dem Altar. Er trägt einen Helm, das ist Pflicht auf der Baustelle, und ein T-Shirt mit dem Logo der Malerfirma, für die er arbeitet. Er senkt den Pinsel, den er gerade in der Hand hat, und blickt in den Hauptraum der Kirche. "Jetzt, wo täglich mehr von dem Gerüst verschwindet, bekommt man zum ersten Mal einen Eindruck davon, wie prächtig der Michel wird", sagt der gelernte Maler und Lackierer, der wegen seines unaussprechlichen Nachnamens von allen auf der Baustelle nur Heino genannt wird. Seit Februar ist er hier als Polier verantwortlich für das Streichen der stuckverzierten Decken und Wände, für das Lackieren der Bänke, das Wachsen der Fußbodendielen und Orgeln.

Die Oberflächen der großen Steinmeyer-Orgel hat er bereits bearbeitet - das Holz hat einen matten Schimmer, die goldenen Verzierungen glänzen. Seit Juni sind Orgelbauer dabei, die mehr als 6500 Pfeifen und 85 Register des Instruments zu montieren. Auch der Korpus der Marcussen-Orgel auf der Nordempore ist frisch poliert. Im Inneren des Instruments, zwischen Gebläseanlage, Spielrelais und Registerschaltungen, verleimt Orgelbauer Hans Willi Jerschabek Bleiröhrchen. Durch sie strömt Luft aus dem Gebläse in die 2671 Pfeifen. Insgesamt verarbeitet Jerschabek 3,5 Kilometer Bleirohr.

Imposante Mengenangaben kann auch Heino liefern: Für das Streichen von 5850 Quadratmeter Wand- und Deckenfläche haben er und seine Arbeitskollegen 6000 Kilo Farbe verbraucht. Eine ebenso große Menge mussten sie vorher im Spezialverfahren abwaschen, mit 30 Mann in 26 Meter Höhe - eine mühsame Arbeit. Heino deutet von der Empore nach unten, wo Tischler Hellge Groß mit seinen Leuten werkelt. Wie viele der Handwerker, die an den Renovierungsarbeiten am Michel beschäftigt sind, kommen auch sie von "Arbeit und Lernen", einer Organisation, die arbeitslose Menschen für den ersten Arbeitsmarkt fit macht. Im Moment sägen sie Bretter zurecht und bauen Podeste. Darauf werden die schweren Bodendielen befestigt, die vor der Totalsanierung entfernt wurden. "Wenn der Fußboden montiert ist, schleifen meine Kollegen und ich ihn ab und behandeln ihn mit Hartwachs", sagt Heino. "Danach kommen die Bänke wieder rein."

Damit den Besuchern im Michel künftig nicht nur warm um's Herz wird, werden unter den Kirchenbänken Heizungen installiert. Überhaupt: Das Gotteshaus wird nach seiner Sanierung zwar aussehen wie früher, in Wahrheit aber ein echtes High-Tech-Gebäude sein. Da gibt es versteckt eingebaute Lüftungsrohre, eine Steuerungsanlage für Heizung und Licht, mit der unter anderem zehn verschiedene Lichtszenarien eingestellt werden können, und einen Kran im Schallloch in der Decke. Darüber freuen sich besonders die Küster: Der Kran ist für den Adventskranz gedacht und kann mit einer Fernbedienung abgesenkt werden, was künftig das Anzünden der 24 Kerzen erleichtert.

Für elektrisches Licht sorgen die 150 Kandelaber, die mittlerweile saniert und wieder angebracht wurden. Die energiesparenden Halogenglühlampen, mit denen sie jetzt bestückt sind, werden ziemlich heiß - das hat Heino vor zwei Tagen erst spüren müssen. "Jetzt, wo das Gerüst täglich ein Stück weiter abgebaut wird, muss ich überall die Löcher zuspachteln, die in der Wand zurückbleiben", sagt er. Dann zeigt er auf einen Kandelaber an der Wand. "Dort war ich nicht schnell genug - der Elektriker hatte den Leuchter schon hingehängt und angemacht." Glücklicherweise ist die Brandwunde nicht groß, eine Katastrophe war es also nicht.

Eine solche gab es vor einigen Wochen, als es während eines Gewitters plötzlich durchregnete. Die Dachdecker, die gerade die Südhälfte des Kirchenschiffs eindecken, hatten die Plane nicht sorgfältig genug verlegt - mit schwerwiegenden Folgen. "Wir mussten das Gerüst wieder zehn Meter aufbauen", sagt Heino und schüttelt missbilligend den Kopf. "Danach hat es zwei Wochen gedauert, bis alles wieder trocken und ausgebessert war."

Das war ärgerlich - denn die Zeit wird knapp. Ab Ende Oktober sollen im Michel wieder Gottesdienste gefeiert werden, die Eröffnung ist für den Reformationstag (31. Oktober) geplant. Bis dahin muss der Innenraum fertig sein, renoviert werden dann nur noch Nebenräume. Wenn vier Wochen später die Dachdecker fertig sind, verschwindet auch das Außengerüst. Endgültig abgeschlossen ist die Sanierung Ende 2010 mit dem Einbau der Carl-Philipp-Emanuel-Bach-Orgel.

Heino setzt den Pinsel an. "Eine prächtigere Kirche als den Michel kann man sich kaum vorstellen", sagt der Maler beeindruckt. "Es ist das schönste Bauwerk, an dem ich in meinen 40 Berufsjahren gearbeitet habe."