Berthold Huber und Arbeitgeber einigen sich nach 18 Stunden auf eine Tariferhöhung um 4,3 Prozent. Streiks wurden abgewendet.

Hamburg. Es wurde schon hell, als Berthold Huber, Chef der mächtigsten deutschen Gewerkschaft IG Metall, und Martin Kannegiesser, der Chef des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall, nach draußen traten. 18 Stunden lang haben sie im Pilotbezirk Baden-Württemberg verhandelt, bis vier Uhr am Morgen des Sonnabends, um einen neuen Tarifvertrag unter Dach und Fach zu bringen. Mit Erfolg, denn jetzt können sich die gut dreieinhalb Millionen Beschäftigten der deutschen Metall- und Elektroindustrie auf eine Lohnanhebung von 4,3 Prozent freuen und damit auf die kräftigste Gehaltsanhebung seit 20 Jahren. Zudem wurde vereinbart, dass Auszubildende von den Firmen in der Regel unbefristet übernommen werden. Huber und Kannegiesser, nannten den Kompromiss "fair" und "tragfähig". "Tarifverträge sind aber kein Wunschkonzert", sagte Huber. Beide Seiten seien von ihren Maximalforderungen abgerückt.

Der Hamburger Arbeitgeberverband Nordmetall will die Tarifeinigung für den Norden grundsätzlich übernehmen. Verhandlungsführer Thomas Lambusch bezeichnete das Ergebnis als vernünftige Lösung. "Mit der Lohnerhöhung sind die Arbeitgeber an die obere Grenze der Belastbarkeit gegangen, bei Azubi-Übernahme und Zeitarbeit wurde die unternehmerische Freiheit gewahrt", sagte er. Meinhard Geiken, Bezirksleiter der IG Metall Küste, sprach von einem "sehr guten Ergebnis. Wir haben bei allen drei Forderungen viel erreicht: mehr Geld, mehr sichere Arbeit und Perspektive für die Jugend." Die Eckpunkte:

Entgelt: Der Tarifvertrag gilt rückwirkend zum 1. Mai und hat eine Laufzeit von 13 Monaten. Die IG Metall war mit einer Forderung nach 6,5 Prozent mehr Geld in die Verhandlungen gegangen. Die Arbeitgeber hatten zunächst drei Prozent über 14 Monate angeboten. "Eine Lohnerhöhung von 4,3 Prozent ist einigermaßen vertretbar, weil es der Metall- und Elektroindustrie gut geht. Aber man sollte jetzt nicht in die Versuchung kommen, dieses Ergebnis auf alle anderen Branchen zu übertragen", sagte Michael Bräuninger, Forschungsdirektor des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI), dem Abendblatt. "Dieser Tarifvertrag ist ein Kompromiss der branchenbezogenen und gesamtwirtschaftlichen Vernunft", sagte der Bremer Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel. Ein angelernter Arbeiter ohne Ausbildung bekommt nun rund 80 Euro mehr, ein junger Facharbeiter gut 110 Euro. Wer bislang 2600 Euro verdiente, erhält rund 2711 Euro.

Übernahme der Auszubildenden: Neben dem Thema Leiharbeiter war die Beschäftigungsgarantie für junge Menschen nach der Lehre das konfliktreichste Thema. Die Arbeitgeber wehrten sich erfolgreich gegen eine generelle Anstellungsverpflichtung. Am Ende wurde vereinbart, dass der Arbeitgeber seinen künftigen Bedarf an Fachkräften selbst festlegen kann und damit auch bestimmt, welche und wie viele Auszubildende er unbefristet übernimmt. "Wir sind uns einig, dass junge Menschen in der Regel nach bestandener Prüfung im Betrieb bleiben sollen. Wichtig war aber, das große Engagement der Unternehmen nicht durch Zwang zu schmälern. Die Übernahmepflicht aller Azubis kommt daher nicht", sagte Lambusch. Die Arbeitgeber könnten somit weiterhin über die notwendige Flexibilität verfügen.

IG Metall macht Weg frei für bundesweite Tarifeinigung

4,3 Prozent mehr Lohn für Metaller im Norden?

Leiharbeiter: Die hohe Zahl der Leiharbeiter in Deutschland ist den Gewerkschaften seit Jahren ein Dorn im Auge. Gemäß der neuen Vereinbarung darf ein Leiharbeiter ohne Einschränkung 18 Monate eingesetzt werden. Nach 24 Monaten muss er jedoch ein Übernahmeangebot erhalten. An diesen Punkten musste die Gewerkschaft Federn lassen. Bei der Leiharbeit sollen die Betriebsräte künftig zwar mehr als bisher mitreden dürfen - der Kompromiss blieb aber weit hinter den ursprünglichen Forderungen zurück. So solle zwar stärker als bisher geregelt werden, dass Leiharbeit nicht zur Selbstverständlichkeit werde, aber einheitliche Bestimmungen für alle Betriebe gibt es nicht. Zudem bleiben Zeitarbeiter nach Angaben des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall im Schnitt sowieso nur sechs bis sieben Monate in ein und derselben Firma. Lambusch ist zufrieden. Die neue Regelung garantiere weiterhin, dass die Zeitarbeit ohne Einschränkungen ein wichtiges Instrument bleibe, um schnell auf Auslastungsschwankungen reagieren zu können, sagte er.

Reaktionen: Der Tarifabschluss ist auf ein weitgehend positives Echo gestoßen. Die Einigung werde der aktuellen Situation der Branche in vollem Umfang gerecht, sagte Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt. Allerdings sei die Tarifanhebung für viele Betriebe eine Belastung. "4,3 Prozent ist ein Scheck auf die Zukunft", hieß es beim Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau. Auch die Firmen zeigten sich erleichtert. "Das ist natürlich ein guter Abschluss", sagte ein Porsche-Sprecher. Er sei für beide Seiten fair. Der Autozulieferer Bosch freut sich darüber, dass ein Arbeitskampf vermieden wurde. SPD-Chef Sigmar Gabriel sagte: "In Deutschland erreichen die Tarifparteien immer wieder faire Kompromisse."