Warum bleiben so viele Kinderwagen leer? Nicht nur Frauen, auch Männer wollen immer weniger Kinder. Aber in Studien und Familienpolitik werden die zögernden Väter bisher kaum beachtet. Ein folgenschweres Versäumnis.

Denn weil Deutschland in der Unterstützung von Eltern rückständig ist, warten junge Paare immer länger mit dem Kinderkriegen. Drei Männer haben uns offen erzählt, wie sie zu Kind und Familie stehen.

Die jüngste Forsa-Studie hat Politiker und Medien aufgestört: Die Zahl der Geburten hat sich in Deutschland seit 1965 fast halbiert. Nach Berechnungen des Statistischen Bundesamts bekommt eine deutsche Frau nur noch 1,3 Kinder. Das klingt dramatisch. Aber so überraschend ist die Zahl nicht. Der Trend zum Geburtenrückgang hält an, weil

- die Frauen immer länger warten: Bei der ersten Geburt sind sie im Schnitt bereits 29,3 Jahre alt;

- der aufgeschobene Kinder- wunsch immer öfter in Kinderlosigkeit endet: Jede dritte Frau des Jahrgangs 1965 (die heute 40jährigen) wird zeitlebens kinderlos bleiben, bei den Akademikerinnen sind es sogar 41 Prozent. Setzt sich der Trend fort, wird im Jahr 2010 jede zweite Frau mit Hochschulabschluß nie ein eigenes Kind haben;

- die Familiengröße mit durchschnittlich zwei Kindern zwar konstant geblieben ist, aber gleichzeitig ein wachsender Teil der jüngeren Männer und Frauen in Deutschland ganz auf Kinder verzichtet.

Was tun? fragen Bevölkerungswissenschaftler und Politiker, in Sorge um die Bestandserhaltung. Helfen nur bessere Betreuungsangebote für Kinder, flexiblere Arbeitszeiten, mehr Teilzeit-Modelle? Das forderten die Frauen zwischen 18 und 49 Jahren in der Forsa-Umfrage. Aber was wollen eigentlich die Männer?

Die Fruchtbarkeits-Statistik betrachtet traditionell nur das Verhalten der Frau: ihr Alter bei der ersten Geburt und wie viele Kinder sie im Durchschnitt bekommt (Geburtenrate). Eine Kinderrate der Männer wird nirgends errechnet. Auch der Mikrozensus, die jährliche Befragung des Statistischen Bundesamts von einem Prozent der Bevölkerung, erfaßt nur die Kinder pro Haushalt, keine Elternschaft. Erwachsene, die ohne Kinder in einem Haushalt leben, müssen aber nicht zwangsläufig kinderlos sein; die Kinder können anderswo leben oder gerade ausgezogen sein.

Paradox: Während Frauen in Sachen Familienplanung in den verschiedensten Studien massenhaft durchbefragt wurden, hat die Sozialforschung die Männer geradezu diskriminiert. Sie verfährt immer noch nach dem Motto: "Frauen sind fruchtbar, Männer bloß Erzeuger", schrieben Brigitte Kreß und Bärbel Döring schon 1987, als sie für ein Buch zum ersten Mal Männer über ihre Vaterschaftswünsche und -ängste interviewten. Die Autorinnen hatten "das Gefühl, emotionales und gedankliches Niemandsland" zu betreten. Sogar für die Männer selbst "scheint Zeugen-Können nichts zu sein, was besonderer Aufmerksamkeit bedarf oder dieser wert ist. Es ist eine angeborene Körperfunktion", schrieben Döring und Kreß.

Achtzehn Jahre später hat sich wenig geändert: "Eine eigenständige Perspektive von Männern (in der Kinderfrage) wird häufig nicht erkannt", bemängelte 2001 die Freiburger Studie "Männer und Familienplanung", in Deutschland die einzige ihrer Art. Hat sich die Einstellung der Männer gegenüber Kindern geändert, schieben auch Männer ihren Kinderwunsch heute länger auf als früher? Der "mütterfixierte Blick" in der Geburten-Debatte vernebelt uns die Sicht auf die großen Unbekannten: die zögernden Väter.

Eins ist klar: Männer und Frauen entscheiden heute nach anderen Gesichtspunkten als ihre Eltern und Großeltern, wann und ob sie Kinder wollen. Vor allem einen wichtigen Entscheidungsgrund offenbarte die Forsa-Umfrage, und den kann der Staat auch mit Babyprämien oder Steuererleichterungen nicht beeinflussen: 44 Prozent der befragten Erwachsenen gaben an, ihnen fehle der richtige Partner für eine Familiengründung.

Vor allem die jungen Frauen vertreten heute ein neues, partnerschaftliches Beziehungsideal: Sie wollen einen Partner, der Babypflege und Erziehung mitträgt, der sie im Alltagsstress zwischen Job und Kind entlastet, in Notfällen mit einspringt; sie wollen Vertrauen und finanzielle Kooperation und gleichzeitig auch Paar-Romantik, fand das von Matthias Horx gegründete Zukunftsinstitut in Frankfurt heraus.

Das sind weitaus kompliziertere Erwartungen als in der traditionellen Versorger-Ehe der Nachkriegszeit. Ein partnerschaftliches Familienbild stellt an den Mann hohe Ansprüche. Wenn sie nicht erfüllt werden, gerät die Beziehung in eine Krise - vor oder samt Kind.

Und was will der Mann? Ein paar Erkenntnisse vermitteln die Freiburger Studie, eine Umfrage der Familienwissenschaftlerin Prof. Uta Meier unter Männern und Frauen (2004), und eine Untersuchung des Instituts der Deutschen Wirtschaft über kinderlose Männer (2001) doch. Männer verbinden mit der Idee, eine Familie zu gründen, ganz spezifische Wünsche, aber auch Befürchtungen:

- Kinder wünschen sie sich erst, wenn sie beruflich etabliert sind. Frauen würden häufig gern schon die berufliche Einstiegszeit mit einem Kind verbinden.

- Meist warten sie ab, bis die Partnerin sich ein Kind wünscht.

- Erfahrungen aus der eigenen Familie wiegen bei Männern psychologisch wesentlich schwerer als bei Frauen. Eine schwierige Vaterbeziehung, Scheidung der Eltern o. ä. können bewirken, daß der Sohn nie eine Familie haben möchte (oder seine Partnerin nie mit einem Kind teilen will). Frauen aus einer Problemfamilie hingegen wollen es in der Regel "selbst besser machen".

- Konsum- und Erlebniswünsche (Auto, Reisen, Hobbys) konkurrieren bei Männern viel öfter mit dem Kinderwunsch als bei Frauen.

Typische Männerängste sind:

- jahrelange Unterhaltspflichten und -kosten für Kinder, bei Trennung ggf. auch für die Frau, dabei aber rechtliche Nachteile als Vater;

- das im Job verlangte Männlichkeitsbild (Power, Verfügbarkeit, Mobilität) kann mit privaten Fürsorgeaufgaben kollidieren.

Während junge Frauen, ermutigt durch die Frauenbewegung und gleiche Bildungschancen, in ihrem Lebensentwurf einen "Modernisierungsschub" erleben, schreibt Prof. Uta Meier, stecken junge Männer in einem "Modernisierungsrückstand" fest.

Ihnen fehlen viele sogenannte "soft skills": weiche Fähigkeiten zum Alltags- und Familienmanagement, die Frauen zuhauf in Frauenmagazinen, -initiativen und Ratgebern finden. Hingegen erleben Männer eine härtere Gangart im beruflichen Wettbewerb; der klamme Arbeitsmarkt, der Zwang zur frühen Altersvorsorge und gewachsene Ansprüche der Partnerinnen setzen junge Männer unter Druck.

Sie reagieren überraschend traditionell, die Freiburger Studie spricht sogar von einer "Re-Traditionalisierung": Nicht der "neue Vater" ist auf dem Vormarsch, sondern der Typus, der sich wie die Großväter-Generation auf den Job konzentriert und den Rest der Frau überläßt. Der Soziologe Ulrich Beck hat der jungen Vätergeneration schon vor Jahren "verbale Aufgeschlossenheit bei weitgehender Verhaltensstarre" vorgeworfen. Und Wassilios Fthenakis, der renommierteste deutsche Kindheitsforscher, erklärt sich die große Zahl von Trennungen nach dem ersten Kind durch "wachsende Unzufriedenheit der Frauen wegen des Rückzugs der Väter aus Fürsorge und Familienarbeit".

Resümee: Der Kindermangel hat viele Gründe. Verhalten und Rollen-Ideale prallen bei jungen Männern und Frauen aufeinander. Aber die Vorsicht bei der Familiengründung ist auch ein realistischer Reflex auf einen (noch) viel zu undurchlässigen Arbeitsmarkt. Gerade wer Kinder erfolgreich großziehen will, muß viel investieren und Hartz-Risiken vermeiden. Der Sexualkundeunterricht vermittelt die Kompetenz zur Verhütung - wer aber vermittelt noch die Kompetenz zur Elternschaft?