Die Polizei in Eilenburg sucht unter Hochdruck nach dem mutmaßlichen Mörder und Vergewaltiger von Corinna.

Eilenburg. Erst Mitja, dann Michelle - und jetzt Corinna. Auch die Neunjährige fiel einem Sexualverbrechen zum Opfer, teilten die Ermittler am Donnerstag mit. Das Mädchen, dessen Leiche am Mittwochnachmittag in Eilenburg in einem Nebenarm der Mulde, versteckt in einem Sack am Ufer gefunden wurde, ist vor seinem Tod missbraucht worden. Drei getötete Kinder in und rund um Leipzig in nur zweieinhalb Jahren - die Polizei steht unter enormem Druck, den Fall Corinna aufzuklären. Der Mörder von Mitja wurde im vergangenen Jahr zu lebenslanger Haft verurteilt, gegen Michelles Mörder beginnt am 17. August der Prozess. Um auch Corinnas Mörder zu finden, arbeiten seit Mittwoch mehr als 80 Beamte in Leipzig einer Sonderkommission an dem Fall.

Am Donnerstagvormittag durchkämmen Bereitschaftspolizisten einer Hundertschaft das Wohnviertel von Corinnas Elternhaus in Eilenburg. Beamte in schwarzen Overalls befragen Anwohner, ein Bewohner eines Ärzte- und Mietshauses, rund hundert Meter von Corinnas Zuhause entfernt, muss gar seine auf dem Hof abgestellte und abgeschlossene Mülltonne unter den Blicken der Polizisten öffnen. Eine Handvoll weiterer Polizisten durchsucht unterdessen den Altpapiercontainer der Mittelschule schräg gegenüber. Weitere Polizisten schnappen sich von der Ladefläche des Feuerwehr-Pickups Besen und Schaufel und durchsuchen Kellerräume der Häuser. Sie suchen auch nach Corinnas Kleidungsstücken, die sie laut Polizei nach ihrem Auffinden nicht mehr am Körper trug. «Wir arbeiten mit Hochdruck an der Aufklärung des Falls», sagt der Chef der Polizei Westsachsen, Jürgen Georgie.

Unmittelbar rund um das Elternhaus der Familie ist es am Donnerstag ruhig. Zwei Polizisten stehen vor dem Haus, ein unsaniertes Mietshaus mit grauem Putz hinter einem Garagenkomplex, Wache. Die Fenster in der Wohnung der Familie sind verhängt, auf dem Nachbargrundstück sind Gärtner damit beschäftigt, den Rasen zu mähen. Kein Verkehr, das Haus steht in einer Sackgasse - zufällig verirrt sich niemand hierher.

«Die Familie versucht, die dramatischen Ereignisse zu verarbeiten», sagt Polizeichef Georgie. Weitere Aussagen zur Familie möchte er nicht machen. Am Dienstagabend hatten sie ihre Tochter als vermisst gemeldet, nachdem sie nicht wie verabredet um sechs Uhr vom Spielen nach Hause kam. Wo sie den Nachmittag verbracht hat, ist laut Polizei nach wie vor unklar.

Der Fundort, wo die Polizei am Mittwochnachmittag den Leichnam des Mädchens entdeckt hatte, ist nur einen Tag später nicht mehr als solcher zu erkennen. Keine Absperrung, keine Bewachung, keine Spurensicherung. «Die haben gestern Abend schon alles wieder abgebaut», sagt eine Anwohnerin im gepflegten Vorgarten ihres Einfamilienhauses. Verdeckt durch eine 1,50 Meter hohe Hochwasserschutzmauer aus Beton fließt der Mühlgraben unterdessen dahin. Das Gewässer fließt schnell, der Fundort muss nicht der Tatort gewesen sein. Wo das Verbrechen geschah, auch dazu habe man noch keinerlei Hinweise, sagt Oberstaatsanwalt Hans Strobl. Am Freitag soll die Gegend rund um das Haus noch einmal mit Spezialhunden abgesucht werden.

Die Ermittler geben sich einen Tag nach dem Fund des Mädchens sehr bedeckt. Man wolle kein Täterwissen in der Öffentlichkeit preisgeben, begründet Strobl. Zu oft sei es in der Vergangenheit geschehen, dass sich Menschen, aus welchen Gründen auch immer, als Täter stellten, die es gar nicht waren.

Während die Polizisten am Donnerstagvormittag Anwohner befragen und Mülltonnen durchsuchen, kommt eine junge Frau um jene Ecke der Möbiusstraße, an deren Ende Corinnas Familie wohnt. Sie geht zügigen Schrittes, neben ihr ihre Tochter, um die acht Jahre alt, rosa T-Shirt, lockiges, zu einem Pferdeschwanz gebundenes Haar. Es ist weit und breit kein Verkehr auf der Straße zu sehen - und trotzdem zieht die Mutter ihre Tochter ganz fest an der Hand mit sich.