Nach mehr als zwei Monaten Gefangenschaft rund 620 Meter unter Tage hat für die 33 chilenischen Bergleute die Endphase ihrer Rettung begonnen.

San José/Berlin. Der weltweit mit Spannung erwartete Beginn der Rettung der verschütteten Kumpel in Chile verschiebt sich nun wieder um einige Stunden nach hinten. Chiles Präsident Sebastian Piñera sagte am Dienstag bei der Mine San José in der Atacama-Wüste, der Test mit der Kapsel beginne um 23.00 Uhr Ortszeit (Mittwoch 04.00 Uhr MESZ). Damit war es ausgeschlossen, dass der erste Bergmann noch vor Mitternacht an die Oberfläche gezogen werden könnte, wie das zunächst angekündigt worden war. Einen Grund für die neue Verzögerung nannte der Staatschef, der per Hubschrauber zu der Mine gekommen war, nicht.

Ursprünglich sollte die Aktion etwa um Mitternacht Ortszeit (05.00 Uhr MESZ) beginnen. Dann wurde die letzte Phase der Rettung um mehrere Stunden vorverlegt. Der erste Sanitäter der Polizei sollte zwischenzeitlich schon am Dienstag um 20.00 Uhr Ortszeit (Mittwoch 01.00 Uhr MESZ) zu den 33 Eingeschlossenen heruntergelassen werden. Anschließend sollte die Bergung der 33 Kumpel losgehen. Nun folgte die erneute Verschiebung.

Im Lager bei der Mine beteten die Angehörigen für einen glücklichen Ausgang des längsten Grubendramas der Geschichte. Die Männer fristeten seit fast 70 Tagen ein Dasein in dunkler Tiefe.

Die Bergleute erwartete nun vor allem ein riesiger Medienrummel, Journalisten aus aller Welt haben sich vor der Mine versammelt. In einer Erklärung baten die Verschütteten, die ersten Tage mit ihren Familien in Ruhe verbringen zu können. Fragen der Medienhorde würden sie dann später gerne beantworten. Ein Teil der Familien plane einen Kurzurlaub in Ferienhäusern im Süden und Norden des Landes, was die Psychologen empfohlen hatten.

Bei der Mine San José in der Atacama-Wüste wurden auch Präsident Sebastian Piñera und sein bolivianischer Amtskollege Evo Morales erwartet. Einer der Bergleute ist Bolivianer. Die Bergung selbst dürfte auch zu einer Geduldsprobe werden: Für die Rettung eines jeden Bergmanns wurden etwa 55 Minuten veranschlagt. Die Rettungskapsel „Phönix“ brauche etwa 20 Minuten, um mehr als 600 Meter nach unten gelassen zu werden, sagte Ingenieur René Aguilar. Dann würden etwa 20 Minuten für das Einsteigen erwartet und weitere 15 Minuten für das Hochziehen.

Die Bergleute bekamen zum Abschluss eine Diät mit erhöhtem Salzgehalt, damit sie mehr trinken und damit sie besser auf die Auffahrt vorbereitet seien, sagte Gesundheitsminister Jaime Mañalich. Psychologen werden mit jedem einzelnen der Eingeschlossenen sprechen, um festzulegen, in welcher Reihenfolge die Männer an die Oberfläche gezogen werden sollen. Die katholische Kirche des südamerikanischen Landes rief die Gläubigen zu Gebeten auf, bis auch der letzte Kumpel gerettet ist.

Der Retter der Polizei soll in der Tiefe den Zustand der Kumpel beurteilen und diese für die Bergung vorbereiten. Drei weitere Spezialisten werden ebenfalls nach unten gelassen. In die Kapsel nach oben steigt dann wiederum jeweils ein Kumpel. Die vier Helfer sollten die Lage sondieren, letzte Details zur Reihenfolge klären und den Bergleuten die Kapsel erklären. Insgesamt 16 Männer hielten sich für diese Aufgabe bereit.

An der Oberfläche angekommen, werden die Männer von einem Arzt untersucht, medizinisch betreut und können sich waschen. Dann kommt das sehnsüchtig erwartete Wiedersehen mit engsten Familienangehörigen. Allerdings müssen sie dann auch noch ihre Fingerabdrücke bei der Polizei abgeben. „Es läuft ein Ermittlungsverfahren wegen eines Unglücks“, sagte der Polizeipräfekt Luis Mardones am Dienstag. In diesem Zusammenhang würden die Fingerabdrücke zur Identifizierung benötigt. Es handelt sich dabei jedoch nur um einen bürokratischen Akt, da die Männer nach dem Unglück in der Mine vermisst gemeldet worden waren.

Immer vier Kumpel werden anschließend in Hubschraubern in das Krankenhaus der nahe gelegenen Stadt Copiapó geflogen. Nach einer eingehenden Untersuchung könnten sie je nach Gesundheitszustand nach ein bis zwei Tagen nach Hause entlassen werden.

Das Drama unter Tage hatte am 5. August begonnen. Mehr als zwei Wochen dauerte es, bis die Verschütteten nach dem Einsturz entdeckt und über Schächte versorgt wurden. Noch nie waren Menschen so lange Zeit in so großer Tiefe gefangen. Die Aktion zu ihrer Rettung ist die längste und aufwendigste, die je im Bergbau vorgenommen wurde. Den Verschütteten half ein ausgeklügeltes Beschäftigungs- und Fitnessprogramm, die belastende Zeit in der Tiefe zu überstehen.

Die Rettung der verschütteten Bergleute in Chile wird auch zum weltweiten Fernsehereignis . Etliche deutsche Sender sind mit eigenen Kamerateams und Reportern am Einsatzort vertreten und wollen live von der Bergung berichten.