Damit keiner durchdreht, werden die 33 Bergleute in Chile mit allem Erdenklichen versorgt. Sie dürfen jetzt sogar auch rauchen.

Santiago de Chile. Sie harren seit mehr als einem Monat in 700 Meter Tiefe in einem Tunnel aus - bei einer Luftfeuchtigkeit von 90 Prozent und Temperaturen von bis zu 35 Grad. Über ihnen Millionen Tonnen Gestein. Was die 33 in Chile verschütteten Bergleute zu ertragen haben, übersteigt fast jegliche Vorstellungskraft.

Die Behörden gehen davon aus, dass die Kumpel noch bis Oktober oder gar Dezember aushalten müssen, bevor sie durch einen der zu bohrenden Schächte mit einer Rettungskapsel befreit werden können. Damit die Eingeschlossenen bis dahin nicht krank oder verrückt werden, bietet die moderne Technik einige Möglichkeiten. Glasfaser- und andere Datenkabel, die durch die drei engen Versorgungsröhren zu den Verschütteten im Bergwerk San José in der Atacamawüste hinuntergelassen wurden, lassen das Drama unter Tage fast wie eine Realityshow erscheinen. Die Eingeschlossenen filmen einander per Videokamera, und der wortgewandte Anführer der Gruppe, Mario Sepúlveda, der schon als Talkmaster der Tiefe bezeichnet wird, beendet seine Übertragungen gern mit dem vielleicht nicht nur scherzhaft gemeinten Satz: "Ich gebe zurück in die Sendezentrale."

Mit den Familienangehörigen, die über der Mine im harschen Wüstenklima in einem Zeltlager campieren, können die Kumpel per Rohrpost kommunizieren und über ein Bildtelefon sprechen. Kinder reden mit ihren verschütteten Vätern, ein Heiratsantrag aus der Tiefe für die Liebste 700 Meter weiter oben, eine Geburtstagsfeier, alles quasi live. Sogar das Freundschaftsspiel der chilenischen Fußballnationalmannschaft in Kiew gegen die Ukraine konnten die Bergleute direkt verfolgen. Dafür war eine Art Leinwand hinuntergeschickt worden, auf die ein Miniprojektor die Bilder projizierte. Und sie dürfen jetzt auch rauchen. Nachdem Verbesserungen in der Luftzufuhr durchgeführt wurden, bekommen sie jeden Tag zwei Packungen Zigaretten.

Wegen der hohen Temperaturen wurde Spezialkleidung in die Tiefe geschickt, die den Schweiß nach außen transportiert, ebensolche aufblasbaren Matratzen, Neoprenschuhe wie für Taucher, und Socken mit eingewebten Kupferfäden, die Fußpilz vorbeugen sollen. Zur medizinischen Ferndiagnose verfügen die Bergleute über eine wasserfeste Minikamera. Ärzte analysieren zum Beispiel die Aufnahmen von Hauterkrankungen und geben dann Anweisungen, wie sie zu behandeln sind. Auch Fieberthermometer und ein Blutdruckmessgerät wurden hinuntergeschickt. Für das leibliche Wohl ist ebenfalls gesorgt, und was die Kumpel an warmen Mahlzeiten bekommen, liest sich wie die Speisekarte eines Seniorenheims der gehobenen Art: gegrilltes Hühnchen mit Reis oder Fleischbällchen an Tomatensoße mit Reis, zum Dessert Fruchtkompott.

Unbekannte haben zwar vor Kurzem wichtiges Bohrgerät gestohlen, die Rettungsarbeiten sind davon aber nicht unmittelbar betroffen. Die jeweils 150 Kilogramm schweren Metallteile sind zusammen etwa 60 Millionen Pesos (100 000 Euro) wert. Die Polizei will nun 40 Leute vernehmen, die an den Rettungsbohrungen beteiligt sind.

Unterdessen gehen die Bohrungen für die Rettungsschächte voran. Zwar gibt es Probleme mit der zweiten Bohrung, denn den Technikern ist es bisher noch nicht gelungen, einen im Bohrloch abgebrochenen Teil des Bohrkopfes an die Oberfläche zu holen. Die erste Bohrung wurde für Wartungsarbeiten unterbrochen . Dieser Bohrer ist bisher bis in eine Tiefe von 212 Metern vorgestoßen. Ein dritter, wesentlich größerer Bohrer soll in etwa zwei Wochen aufgebaut und einsatzbereit sein.