Zum Gottesdienst am Sonnabend kommen die Spitzen des Staates. Künftig sollen Großveranstaltungen einheitlich geregelt werden.

Duisburg/Düsseldorf. Nordrhein-Westfalen will als Konsequenz aus der Loveparade-Tragödie neue bundeseinheitliche Regelungen für Großveranstaltungen erreichen. Am Sonnabend kommen das Staatsoberhaupt Christian Wulff und Bundeskanzlerin Angela Merkel zum Trauergottesdienst für die Toten nach Duisburg.

Alle 20 Todesopfer sind nach Erkenntnissen der Mediziner in der Massenpanik an Brustkorbquetschungen gestorben. Wer die Familien und Angehörigen und die über 500 Verletzten entschädigt, wird sich wohl erst in einem langwierigen Verfahren zeigen. Gegen Duisburgs Oberbürgermeister Adolf Sauerland wurde neue Vorwürfe laut.

NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) kündigte am Dienstag nach einer Kabinettssitzung in Düsseldorf an, sie wolle sich bundesweit für einen besseren Umgang mit Großveranstaltungen einsetzen. Städte – vor allem solche, die damit wenig Erfahrung haben - dürften nicht allein gelassen werden. Einen Vorstoß werde NRW in der Innenministerkonferenz unternehmen.

Eine einheitliche Genehmigungspraxis für Großveranstaltungen forderten auch der Verband der Deutschen Konzertdirektionen (VDKD) und der Bundesverband der Veranstaltungswirtschaft mit zusammen 500 Mitgliedern. Der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, verlangte eine Art TÜV für Großveranstaltungen.

Die Leichen der Opfer der Massenpanik in Duisburg wurden am Dienstag zur Bestattung freigegeben. Kraft sagte, die tödlichen Verletzungen von 20 Menschen seien ausschließlich auf das Gedränge zurückzuführen. Niemand sei nach den Obduktionsergebnissen durch einen Sturz zu Tode gekommen.

NRW-Innenminister Innenminister Ralf Jäger (SPD) werde am Mittwoch über weitere Ermittlungsdetails berichten, kündigte Kraft an. Die SPD-Politikerin erwartet auch politische Konsequenzen aus der Tragödie. Sie schloss sich aber den Rufen nach einem Rücktritt von Duisburgs CDU-Oberbürgermeister Adolf Sauerland nicht ausdrücklich an.

Der wurde am Dienstag weiter belastet. Nach einem Bericht der WAZ- Mediengruppe soll er bereits vier Wochen vor der Veranstaltung von den massiven Bedenken des Bauordnungsamtes gegen das vorgelegte Sicherheitskonzept informiert worden sein. Der OB will dagegen von einem Widerspruch gegen die Veranstaltung nichts gewusst haben.

Die Polizei wies Vorwürfe, sie habe die Massenpanik am Zugangstunnel des Geländes ausgelöst, als Spekulation zurück. Loveparade-Veranstalter Thomas Schaller hatte der dpa erklärt, zur Katastrophe habe eine „verhängnisvolle Anweisung“ der Polizei geführt, die Schleusen vor dem Tunnelzugang auf dem Gelände zu öffnen. Die Veranstalter hätten dagegen 10 der 16 Schleusen geschlossen gehalten, weil Überfüllung drohte.

Die Polizei in Köln, die nach dem tragischen Ende der Loveparade ermittelt, erklärte dazu: „Wir sind zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht in der Lage zu sagen, was der Auslöser war für das Ganze, wie es sich ereignet hat.“ Ob es die Anweisung der Polizei gab, bestätigte oder dementierte die Sprecherin nicht.

Am neuralgischen Punkt zwischen Tunnel und Aufstiegsrampe des Festgeländes waren im entscheidenden Moment am Samstagnachmittag viel zu viele Menschen. Dagegen sind die Gesamt-Besucherzahlen inzwischen stark revidiert worden: Drei Tage nach der Katastrophe erscheinen Schätzungen von etwa 200000 Menschen auf dem gesamten Loveparade- Gelände als plausibel. Es war für maximal 250000 zugelassen.

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Drei Tage nach der Katastrophe schwiegen die meisten Verantwortlichen ebenso wie Sauerland. Die von vielen Betroffenen erhoffte Entschuldigung blieb aus. Juristisch ist das aus Expertensicht das einzig mögliche Verhalten, da sich die Betroffenen sonst versicherungsrechtlich oder strafrechtlich belasten könnten, erläuterte Ekkehart Schäfer, Vizepräsident der Bundesrechtsanwaltskammer der dpa in Berlin.

Wer die Opfer der Loveparade-Tragödie entschädigt, ist noch völlig offen. „Es muss sich eine glasklare Verantwortung herauskristallisiert haben, bevor man das zuordnen kann“, sagt Katrin Rüter, Sprecherin des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Bislang sei noch nicht geklärt, ob der Veranstalter oder die öffentliche Hand haftbar seien. Die Veranstalterin der Loveparade hatte das Techno-Spektakel mit 7,5 Millionen Euro versichert – doch die Schäden dürften weit höher liegen.