Die Lage im Erdbebengebiet stabilisiert sich. Erstmals sind Hilfsgüter in Chile eingetroffen. Kritik an Präsidentin Bachelet wächst.

Santiago de Chile/Concepción. Vier Tage nach dem schweren Erdbeben in Chile hat sich die Lage in den Katastrophengebieten weiter stabilisiert. Das Militär ging mit harter Hand gegen Plünderer vor. „Die Lage ist unter Kontrolle“, sagte Staatspräsidentin Michelle Bachelet. „Die Soldaten sorgen in den betroffenen Gebieten nicht nur für Ordnung und Sicherheit, sondern verteilen auch Lebensmittel, Trinkwasser und andere Hilfsgüter.“ Die Zahl der geborgenen Toten stieg auf etwa 800.

Das Militär errichtete eine Luftbrücke in die zerstörten Regionen Maule und Bíobío. 50 Maschinen brachten erstmals seit dem Beben Lebensmittel und Medikamente zu den etwa zwei Millionen Betroffenen. Auch Marineschiffe waren im Einsatz, um Güter in die Küstenorte zu bringen, die von einem Tsunami stark zerstörten wurden.

Dank starker Militärpräsenz und 18-stündiger Ausgangssperren von abends 18.00 Uhr bis 12.00 Uhr am folgenden Mittag kam es nach offiziellen Angaben zu keinen weiteren Plünderungen oder Raubüberfällen mehr wie in den ersten Tagen nach dem Beben der Stärke 8,8. Bei einem der heftigsten je registrierten Beben waren nach vorläufigen Angaben mindestens 799 Menschen ums Leben gekommen. Zudem wurden noch hunderte Menschen vermisst. Die Zahl der Verletzten war unklar.

An Infrastruktur und Gebäuden entstanden Milliardenschäden. Nach Angaben von Bauministerin Patricia Poblete wurden etwa 1,5 Millionen Wohnungen beschädigt, 500 000 davon schwer. Die solide Bauweise in dem Land, das oft von Erdbeben getroffen wird, sorgte dafür, dass viele Gebäude nicht zusammenstürzten. Einige beschädigte Gebäude müssen jedoch wegen struktureller Schäden abgerissen werden. Viele Eigentümer gerade von Neubauten forderten Entschädigungen von Baufirmen.

Das Militär setzte im Kampf gegen Banden gepanzerte Fahrzeuge ein und errichtete Straßensperren. „Wir wissen, dass kleine Gruppen sich zu kriminellen Aktionen hinreißen lassen und der Bevölkerung schweren Schaden zufügen“, sagte die Präsidentin. „Aber wir werden dies nicht tolerieren.“

Obwohl es einige Anfangsschwierigkeiten bei der Versorgung der Opfer gegeben hatte, lobten die Vereinten Nationen und auch US-Außenministerin Hillary Clinton die Maßnahmen der chilenischen Regierung angesichts einer der schlimmsten Naturkatastrophen in der Geschichte des Landes. Clinton hob bei einem Kurzbesuch in Santiago die Leistungen Bachelets hervor. „Sie und ihre Regierung haben große Führungsqualitäten bewiesen, und wir bewundern den Mut des chilenischen Volkes“, sagte sie.

In Chile wurde jedoch auch Kritik an der eigentlich sehr beliebten Präsidentin laut, die ihr Amt nur noch bis Donnerstag kommender Woche ausübt. Dann wird ihr gewählter Nachfolger, der konservative Unternehmer Sebastián Piñera, ins Amt eingeführt. Grund ist der fatale Irrtum, kurz nach dem Beben am Morgen eine Tsunami-Entwarnung gegeben und das Militär zu spät in Marsch gesetzt zu haben, um die Plünderungen und Raubüberfälle zu verhindern. Die Marine räumte inzwischen ein, sie habe zunächst zwar vor der Möglichkeit eines Tsunami gewarnt, dann aber bei einem Anruf der Präsidentin knapp zwei Stunden nach dem Beben nicht eindeutig genug davor gewarnt.