Neue schwere Erdstöße haben die Menschen in der Stadt Concepción in Panik versetzt. Am Sonntag reist Außenminister Guido Westerwelle nach Chile.

Santiago de Chile. Die chilenische Regierung hat knapp eine Woche nach dem verheerenden Erdbeben eine neue Opferzahl bekanntgegeben. Demnach sind bisher 452 Tote identifiziert worden. Vize-Innenminister Patricio Rosende sprach von 173 zusätzlichen Toten, über deren Personalien jetzt Klarheit herrsche. Sie müssten zu den bisher bekannten 279 Todesopfern hinzugerechnet werden. Die chilenische Regierung war in die Kritik geraten, weil sie die Zahl der Todesopfer zu hoch angegeben hatte. Es hatte Fehler bei der Zählung gegeben.

Unterdessen bescheinigte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon den Chilenen „großen Mut und Widerstandskraft“. „Ich bin sehr bewegt“, sagte er am Freitag bei seiner Ankunft in der Hauptstadt Santiago. Die UN seien darauf vorbereitet, Chile „kurz- und langfristig jede Hilfe zukommen zu lassen, um die die Regierung bittet“.

SO ERLEBTE ABENDBLATT-FOTOREPORTER MARCELO HERNANDEZ DIE KATASTROPHE

Bei einem der schwersten je registrierten Erdbeben mit der Stärke 8,8 und einem anschließenden Tsunami waren Milliardenschäden an Gebäuden und der Infrastruktur entstanden. Etwa zwei Millionen Wohnungen wurden beschädigt, 500 000 davon schwer. Am Sonntag wurde auch Bundesaußenminister Guido Westerwelle zu einem Kurzbesuch in Santiago erwartet. Er wird auch einige Hilfsgüter übergeben.

Chile wurde unterdessen von mehreren schweren Nachbeben mit Stärken von 6,6 erschüttert. Die zahlreichen Nachbeben sind nach Angaben von Experten normal, versetzten die Menschen jedoch immer wieder in Angst und Schrecken und behinderten die Hilfe für Millionen Bedürftige. Deren Lage war auch sechs Tage nach dem Beben zum Teil verzweifelt. Einige Gebiete waren nach Angaben eines Mitarbeiters der Hilfsorganisation Care noch immer von jeder Hilfe abgeschnitten.

Ärzte in Chile befürchten Infektionskrankheiten

Die Ärzte im chilenischen Katastrophengebiet warnen unterdessen vor der Ausbreitung von Infektionskrankheiten. Trümmerberge und tonnenweise verrottender Fisch seien große Ansteckungsquellen. Wie es weiter hieß, häufen sich die Durchfallerkrankungen, weil die Menschen verunreinigtes Wasser trinken.

Der Bürgermeister der schwer beschädigten Hafenstadt Talcahuano, Gaston Saavedra, sagte, man benötige sauberes Trinkwasser und ein funktionierendes Abwassersystem. „Wir müssen die Straßen von verwesendem Fisch reinigen. Wir brauchen Campingtoiletten, und wenn es zu regnen beginnt, werden die Leute in den Zelten nass und krank. All das wird zu Infektionen führen“, sagte Saavedra.

Weil Plünderer die Apotheken heimgesucht haben, gibt es nicht mehr genug Medikamente gegen Diabetes oder Bluthochdruck. Außerdem wurden bei dem Erdbeben am 27. Februar 36 Krankenhäuser schwer beschädigt oder zerstört.

Mehrere Staaten haben Feldlazarette zur Verfügung gestellt, doch ihre Inbetriebnahme verläuft schleppend - dem Vernehmen nach wegen bürokratischer Hürden. So erzählte ein spanischer Arzt, der für die Organisation Ärzte ohne Grenzen arbeitet, sein Team sei bereits am Montag eingetroffen, warte aber immer noch auf eine Anweisung der Behörden, wo es eingesetzt werden solle. In der Zwischenzeit kümmere er sich um die Obdachlosen in den Zeltlagern, sagte Luis Ojeda.