“Wir wissen nicht, was passiert ist“, sagt die indonesische Luftfahrtbehörde. Suche nach dem russischen Superjet 100 wird in der Nacht fortgesetzt.

Jakarta/Moskau. Mysteriöses Verschwinden einer Passagiermaschine in Indonesien: Nur 21 Minuten nach dem Start ist das hochmoderne russische Mittelstreckenflugzeug vom Typ Suchoi Superjet 100 (SSJ 100) bei einem Demonstrationsflug im Inselstaat von den Radarschirmen spurlos verschwunden. Der Kontakt zum Flugzeug mit bis zu 48 Menschen an Bord sei in der Nähe eines Berges in der Provinz Westjava abgebrochen, sagte ein Sprecher der indonesischen Rettungskräfte am Mittwoch. „Wir suchen noch danach“, sagte der Chef der indonesischen Luftfahrtbehörde, Herry Bakti Singoyudha, in Jakarta. „Wir wissen nicht, was passiert ist.“ Schlechtes Wetter behinderte zunächst die Suche aus der Luft. Die Maschine gilt als Hoffnungsträger der russischen Luftfahrtindustrie, mit dem sich der Konzern Suchoi auf dem von Boeing und Airbus dominierten internationalen Markt platzieren will.

+++Russlands modernster Jet verschwindet vom Radarschirm+++

Ein namentlich nicht genannter russischer Luftfahrtexperte sagte, es gebe wenig Hoffnung auf einen glücklichen Ausgang. Er sprach von 44 Insassen. An Bord seien 8 Russen und 36 Vertreter indonesischer Fluggesellschaften gewesen. Nach Angaben aus Jakarta waren es 40 Indonesier und acht Russen. Nach Angaben der Rettungskräfte und der für die Buchung der Gäste zuständigen Agentur waren mehrere Diplomaten der russischen Botschaft, Vertreter von Fluggesellschaften und Journalisten unter den Passagieren.

Zwei Hubschrauber brachen Behördenangaben zufolge die Suche aus der Luft ab, da die einsetzende Dunkelheit, schwere Wolken und starker Wind ihren Flug behinderten. Soldaten und Polizisten waren zu Lande im Einsatz und die Suche sollte die Nacht hindurch fortgesetzt werden. Allerdings ist das Gelände insbesondere bei Nacht unwegsam. „Hoffentlich treffen sie noch heute Nacht ein“, sagte Darayatmo, Chef des Such- und Rettungsdienstes.

Die SSJ 100 war um 14.21 Uhr (Ortszeit, 09.21 Uhr MESZ) vom Flughafen in Jakarta zum zweiten Schauflug des Tages gestartet und sollte nach 50 Minuten wieder zurückkehren. Die Fluglotsen verloren nach Angaben der Rettungskräfte den Kontakt, nachdem der Pilot um eine Erlaubnis für eine Verringerung der Flughöhe von 3.000 Metern auf 1.800 Meter gebeten hatte. Eine Erklärung für die Abweichung vom Flugplan wurde zunächst nicht abgegeben. Es nieselte zu diesem Zeitpunkt, stürmisch war das Wetter nicht. „Ich habe ein großes Flugzeug direkt über mein Haus hinwegfliegen gesehen“, sagte Juanda, Bewohnerin eines Dorfes in der Nähe eines 2.200 Meter hohen Berges, dem örtlichen Sender TVOne. Wie viele Indonesier benutzt sie nur einen Namen. „Es drehte ein wenig zu einer Seite. Die Triebwerke röhrten. Es schien Richtung Salak zu fliegen. Ich habe keine Explosion oder so etwas gehört“, sagte sie. Ein Sprecher des russischen Luftfahrtkonsortiums OAK bestätigte in Moskau, dass die Funkverbindung mit der Maschine abgerissen ist, berichtete die Agentur Interfax. Ein Sprecher des russischen Industrieministeriums ergänzte, die Maschine sei vor dem Flug geprüft und für technisch einwandfrei befunden worden.

Seit ihrem Jungfernflug 2008 befindet sich die SSJ 100 auf einer Schautour. Derzeit war sie auf einer Werbetour durch Asien unterwegs. Am Mittwoch war sie in Jakarta gelandet und zuvor in Birma, Pakistan und Kasachstan präsentiert worden. Laos und Vietnam standen als nächstes auf dem Programm. Die für Kurz- und Mittelstrecken konzipierte und auch mit westlicher Technik ausgestattete Maschine ist das erste komplett neue russische Passagierflugzeug seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion vor 20 Jahren. Moskau hat mit der Maschine ehrgeizige Pläne. So soll der in Kooperation mit Boeing sowie europäischen Unternehmen entwickelte Superjet auf dem Weltmarkt den Branchenriesen Bombardier (Kanada) und Embraer (Brasilien) Konkurrenz machen. Erst vor kurzem hatte die Zivilsparte des Kampfjet-Herstellers Suchoi die offizielle Zulassung für die Europäische Union erhalten. Allerdings hatten Triebwerksprobleme die Auslieferung des Fliegers bislang verzögert. Beim Flug von Birma nach Indonesien hatte das Flugzeug erstmals den Äquator überflogen.

Die Flugzeugbauer von Suchoi sind ambitioniert. Anfang des Jahres gab der stellvertrende Ministerpräsident Dmitri Rogosin bekannt, die russische Flugzeugbauholding, zu der Suchoi seit Ende 2006 gehört, wolle bis 2020 fast 500 Maschinen vom Typ SSJ 100 bauen. Die Produktion solle in den kommenden Jahren von zunächst 14 Flugzeugen 2011 auf 60 bis 70 Maschinen pro Jahr steigen, meldete die Nachrichtenagentur RIA Novosti.

Trotz großer Ambitionen lässt der große Durchbruch der russischen Flugzeugbauer noch auf sich warten, denn das Verschwinden der SSJ 100 ist kein Einzelfall schlechter Presse. Technische Probleme seit dem Jungfernflug im Mai 2008 verpassten den Hoffnungen immer wieder einen Dämpfer. Mehrmals meldeten russische Nachrichtenagenturen in den vergangenen Monaten Probleme mit dem Fahrwerk. Im Dezember 2011 musste eine Maschine aus diesem Grund ohne Passagiere aus der weißrussischen Hauptstadt Minsk nach Moskau zurückkehren und auch in der südrussischen Stadt Astrachan gab es im vergangenen März einen ähnlichen Zwischenfall.

Mit Material von dpa/dapd