Die Gegengeradentribüne des FC St. Pauli wird zum logistischen Kraftakt. Spielbetrieb und Frühlingsdom erschweren die Arbeiten.

Hamburg. Wann die neue Saison für den FC St. Pauli beginnt, ist unklar, wann genau die aktuelle endet, ebenfalls. Und trotzdem steht seit mehr als einem Jahr fest, dass zwischen dem letzten Heimspiel im Mai und dem ersten der Spielzeit 2012/13 eine Tribüne gebaut wird. Die Größe des Zeitfensters variiert je nach sportlichem Erfolg. 17 Wochen würde die Spielpause beim direkten Aufstieg in die Bundesliga andauern. Sollte die Mannschaft in der Relegation scheitern, blieben schlechtestenfalls zwölf. Es ist die größte, aber nicht die einzige Unwägbarkeit beim Neubau der Gegengerade des Millerntor-Stadions, der für den Klub zur logistischen Meisterprüfung wird.

Und so geht es bei der täglichen Arbeit auf der vor sieben Wochen eingerichteten Baustelle vor allem darum, so viele Arbeiten wie möglich vorab durchzuführen. "Mir wäre lieb, die Saison wäre jetzt zu Ende, dann wären wir Zweiter, würden direkt aufsteigen und hätten bis September Zeit zu bauen", sagt Wolfgang Helbing, der für den Verein gemeinsam mit Torsten Vierkant nach Süd- und Haupttribüne auch den Bau der Gegengerade koordiniert. Sein Lächeln wirkt angesichts der anstehenden Aufgaben etwas gequält. 34 der zwei Meter tiefen Fundamente sollen bis zum Saisonende gegossen werden. Routinearbeit, die angesichts der Umstände zur kniffligen Planungsaufgabe wird.

"Zurzeit ist die Tribüne mehr eine logistische Herausforderung als eine bauliche", sagt Vierkant. Der Stadionchef steht im Baucontainer des Poliers von Generalunternehmer Hellmich auf dem Südtribünenvorplatz und weist auf den mit zahllosen Linien, Kreuzen und Kreisen vollgezeichneten Grundrissplan an der Wand. Etwa 200 Meter weiter, dort wo sich die einst als Provisorium errichteten Traversen unter der alten Tribüne biegen, wird schnell deutlich, was Vierkant meint. An den Stellen, an denen Beton die neue Tribüne in 34 Fundamenten verankern soll, ist der Weg von Toilettencontainern und Verkaufsständen verstellt. Zudem müssen die Zuschauer zu den ausstehenden sechs oder sieben Heimspielen durch die Stadiontore zu ihren Plätzen gelangen, und am 23. März öffnet der Frühlingsdom auf dem angrenzenden Heiligengeistfeld. "Wir könnten doch unsere Partien beim SC Victoria austragen, oder nicht?", sagt Helbing und lacht.

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Der Galgenhumor gehört für die beiden Projektleiter in diesen Tagen beim Gang über die Baustelle dazu. Denn die komplizierte und zeitintensive Variante, da sind sich beide sicher, wird Realität werden: Bude versetzen, Loch bohren, Fundament gießen, Bude wieder zurückstellen. Platz, um die Verkaufsstände und Container dauerhaft bis zum Saisonende zu versetzen, gibt es keinen. Der freie Platz zwischen Gegengerade und Nordtribüne ist bereits zur Großbaustelle geworden. Mit schwerem Gerät werden hier 64 Bohrpfähle 13 Meter tief in die Erde gerammt. Eine Maßnahme, die nötig ist, um die Sicherheit der unter der Tribüne verlaufenden U-Bahn-Linie 3 zu garantieren. Die Pfähle sind die Träger von vier Betonplatten, die einen Meter oberhalb des Bahntunnels die Statik der Tribüne ableiten. Bis zum Aufbau des Doms Anfang März sollten die Arbeiten wie auch das Versetzen der Strom- und Wasserleitungen für die Schausteller abgeschlossen sein, doch St. Pauli ist eine Woche hinter dem Zeitplan. Schuld ist nicht der Frost, sondern lange Vertragsverhandlungen mit dem HVV.

"Immer die Ruhe bewahren, wir schaffen das", sagt Vierkant, der auf den Aufstieg hofft. "Eigentlich sollte man sich ja auch über das Erreichen der Relegation freuen. Es wäre sportlich ein Erfolg", sagt Helbing, "aber für den Bau wäre alles andere besser."