Sportchef Frank Arnesen sagt dem Niederländer nach Verhandlungen ab. Am Sonntag gegen Schalke soll Cardoso wieder auf der Bank sitzen.

Hamburg. Carl-Edgar Jarchow nutzte den trainingsfreien, sonnigen Sonntag zu stundenlangen Gesprächen - mit der Familie auf der Terrasse seiner Schwiegereltern in Halstenbek. Bestens gelaunt teilte der HSV-Vorsitzende mit, dass es nichts mitzuteilen gebe in der Trainersuche. Außer dass sicher sei, dass Huub Stevens am Montag um 15 Uhr nicht das Training der Profis an der Arena leiten werde.

Dass der Niederländer in den kommenden Tagen als neuer Cheftrainer der Hamburger vorgestellt wird, schien am Nachmittag indes durchaus noch weiter möglich, obwohl sich Meldungen vom Wochenende, die Einigung mit dem 57-Jährigen wäre beschlossene Sache, als vorschnell entpuppt hatten. Erst am Abend sickerte dann durch, dass der HSV von einer Verpflichtung Stevens' Abstand nimmt.

Aber der Reihe nach: Am Sonnabend nach dem 2:1-Erfolg beim VfB Stuttgart machte sich HSV-Sportchef Frank Arnesen direkt aus der schwäbischen Hauptstadt nach Eindhoven auf, um sich mit dem früheren HSV-Trainer zu treffen. Dort tauschte man Vorstellungen und Positionen in einer entspannten Atmosphäre aus. "Es war ein nettes, ausführliches Gespräch", sagte Stevens, dem am Sonntag am Telefon deutlich anzumerken war, dass er sehr gerne sein Comeback in Hamburg geben würde. "Wir haben über alles gesprochen. Ich warte jetzt auf eine Reaktion aus Hamburg." Übersetzt hieß das in etwa: Gibt der HSV sein Jawort, sitzt Stevens schon am nächsten Tag im Auto Richtung Hamburg.

Auch über die Mannschaft des HSV fand er schon lobende Worte, nachdem er das Spiel in Stuttgart am Fernseher verfolgt hatte: "Nur mit jungen Spielern geht es natürlich nicht, das war nie anders", urteilte er in gewohnter Manier, um aber hinzuzufügen: "Wenn ich mir die zweite Halbzeit anschaue, was ein Töre und natürlich Lam aufgezogen haben, weil sie mutig waren, dann muss ich sagen: So geht das. So kannst du was erreichen."

Allerdings war offensichtlich auch die Nachricht bis zu Stevens durchgedrungen, dass auch er beim FC Schalke 04 auf der Liste der Kandidaten für die Nachfolge von Ralf Rangnick steht, der am Donnerstag sein Amt aufgegeben hatte. Ein hundertprozentiges Bekenntnis nur zum HSV gab es von Stevens nicht, was für Arnesen reichte, um den Daumen zu senken: Am Abend informierte der Däne den Berater von Stevens darüber, dass dieser gerade von der Kandidatenliste der Hamburger gestrichen worden sei.

Sollte sich nicht eine ähnlich überraschende Wende ergeben wie bei der Entlassung von Michael Oenning vor einer Woche, sitzt nun gegen Schalke am kommenden Sonntag Rodolfo Cardoso auf der HSV-Bank (siehe auch Bericht Seite 24). Und es wäre in diesen verrückten Tagen nicht wirklich verwunderlich, würde Stevens auf der Bank des Gegners Platz nehmen.

Die Trainersuche muss der HSV nun allerdings nicht von vorne beginnen. Schon bevor die Absage an Stevens publik wurde, hatte der HSV-Vorsitzende Carl-Edgar Jarchow durchblicken lassen, dass Stevens nur eine Option gewesen sei: "Wir haben von Anfang an gesagt, dass wir eine Entscheidung bis zur zweiwöchigen Länderspielpause nach dem Spiel gegen Schalke haben wollen, daran hat sich nichts geändert", sagte der HSV-Boss. "Wir sprechen mit mehreren Trainern, auch Huub Stevens und Marco van Basten stehen auf der Liste." Es könne aber durchaus sein, dass Interimstrainer Cardoso auch gegen die Gelsenkirchener noch auf der Bank sitze. Dieser Fall tritt nun ein.

Von Anfang an war zudem fraglich, ob Stevens und Arnesen überhaupt zusammenpassen würden. Schließlich will der Sportchef des HSV einen Übungsleiter finden, der die ähnliche Philosophie vom Fußball wie er vertritt, mit dem er vertrauensvoll zusammenarbeiten kann und mit dem er im Einzelfall auch sportliche Entscheidungen besprechen kann. Ob sich da ein knorriger Trainertyp der alten Schule wie Stevens hätte reinreden lassen?

Wohl kaum. Zudem glänzte Stevens bei früheren Trainerstationen zwar häufig durch Erfolg durch sein sicherheitsorientiertes Spiel, aber nicht unbedingt damit, dass er jüngere Spieler förderte und entwickelte. Genau das soll aber der neue Trainer beim HSV vorantreiben. Die 90 Minuten in Stuttgart haben den Bossen den Glauben zurückgegeben, dass der vor der Saison eingeschlagene Weg doch der richtige ist.

So wird es wohl noch mehrere Tage dauern, bis Arnesen die Trainerfrage geklärt hat und sie auch vom Aufsichtsrat hat absegnen lassen, da der Trainervertrag zustimmungspflichtig ist. In der Liste der Kandidaten steht der Niederländer Marco van Basten nun weit oben. Auszuschließen ist allerdings nicht ganz, dass am Ende doch noch ein Trainer das Rennen macht, den der Vorstand vor der Öffentlichkeit noch geheim hält. Fest steht nur, dass es nicht der gerade entlassene Nationaltrainer Bulgariens, Lothar Matthäus, sein wird - auch wenn sich das der eine oder andere Fan des Lokalrivalen FC St. Pauli wünschen würde.