Der 20-jährige Deutsch-Chinese begeisterte mit seinem frechen Auftritt in Stuttgart

Stuttgart/Hamburg. Junge Menschen aus Hamburg, die sich irgendwann dazu entschließen, eine Fußballerkarriere anzustreben, in der Jugend für den HSV spielen und dann noch den Sprung in das Bundesliga-Team schaffen, sind bekanntermaßen eine seltene Spezies. Legendär ist der Ausspruch des früheren Vorsitzenden Bernd Hoffmann, der mit Blick auf die fünf Millionen Euro Ausgaben für den Nachwuchs von einer "Geldvernichtungsmaschine" sprach.

In dieser Saison schien sich an dieser Zustandbeschreibung nicht viel zu ändern. Sportchef Frank Arnesen bevorzugte es, die Verjüngung des Profikaders mit Talenten des FC Chelsea voranzutreiben (Töre, Bruma, Mancienne, Sala, Rajkovic). Beim 2:1 in Stuttgart jedoch wurde ein Debütant gefeiert, den Interimstrainer Rodolfo Cardoso in der U 23 entdeckt hatte: Zhi Gin Lam.

"Er hat wirklich ein fantastisches Spiel gemacht, ein echtes Traumdebüt hingelegt", freute sich Arnesen mit dem 20-Jährigen, der im rechten Mittelfeld frech agierte und danach sein Glück kaum fassen konnte: "Ein super Gefühl, ich hoffe, ich darf jetzt häufiger bei den Profis dabei sein." Heiko Westermann, der rechts hinten agierte, hatte ihn mit allen Freiheiten ausgestattet: "Ich habe ihm gesagt, er solle alles ausblenden, nicht groß nachdenken und könne vorne tun und lassen, was er wolle."

2005 war Lam vom SV Nettelnburg/Allermöhe zum HSV gewechselt. In der Rückserie der Saison 2009/10 kam der gebürtige Hamburger zweimal in der Regionalliga Nord zum Einsatz, 2010/11 gehörte der nur 1,67 Meter kleine Techniker zur Stammbesetzung und absolvierte 31 Partien.

Der erste Anruf nach dem Spiel in Stuttgart ging an seine Eltern nach Lohbrügge, mit denen er noch unter einem Dach lebt. Lam, der drei ältere Schwestern hat, bestand am Gymnasium Bornbrook 2010 sein Abitur und konzentriert sich seitdem ausschließlich auf den Fußball. Die Begleiter der zweiten Mannschaft des HSV schildern ihn als stets ruhigen, fast zurückhaltenden und höflichen Typen, was im Gegensatz zu seinem eher extrovertierten Spiel auf dem Rasen steht. Insofern passt die Bedeutung seines chinesischen Namens gut zu seinem Charakter als Spieler: Zhi (gesprochen: Schi) steht für Wille, Gin für Stärke beziehungsweise Härte. Den Namen hat Lam seinem Vater zu verdanken, der aus Hongkong stammt. Die Stadt hat die neue HSV-Hoffnung zwar schon einige Male mit seinen Eltern besichtigt, als Sprache bevorzugt Lam jedoch Hamburgisch - Chinesisch hat er kaum gelernt.