Er ist Rekordnationalspieler und hat stets junge Talente entdeckt. Nur seine Frauengeschichten sind ein Problem. Trotzdem passt “Loddar“ zum HSV.

Am Montag ging zum ersten Mal in dieser Saison alles ganz schnell. Der Vorstand des Hamburger SV entließ seinen Cheftrainer Michael Oenning, das Aufatmen in Fan-Kreisen war ein kollektives. Oenning ist kein guter Trainer. Die Mannschaft, die er betreut hat, ist die wohl schlechteste aller Zeiten. Man fasst sich ans Herz, wenn man derzeit an den HSV denkt, und ich kann mir nicht helfen - immer öfter denke ich in letzter Zeit (und seit Montagabend im Besonderen) an Lothar Matthäus.

Sie dürfen das Abendblatt vor Entgeisterung jetzt gern auf den Schoß sinken lassen. Aber vielleicht heben Sie es kurz danach wieder auf. Denn es gibt eine Frage, die man sich und dem HSV in diesen Tagen stellen muss, die viele Wahrheiten über das Trainergeschäft in der Bundesliga beinhaltet und deren Beantwortung uns alle voranbringen könnte, denn sie lautet: Was wäre eigentlich so schlimm an einer Verpflichtung von Lothar Matthäus?

Seit Jahren schon ist es Konsens unter Sportjournalisten, dass Lothar Matthäus kein schlechter Trainer ist. Vor allem kleinere Klubs hat er im Ausland trainiert, weshalb der ganz große Erfolg bislang ausgeblieben ist; nur Partizan Belgrad hat er in die Champions League geführt, als bislang ersten und einzigen serbischen Verein. In der Bundesliga sind Trainer schon für weniger verpflichtet worden.

An jeder seiner Stationen hat Matthäus junge Spieler gefördert und Talente entdeckt, er hat Umbrüche gewollt und gelebt. Die Spieler haben ihn respektiert. Lothar Matthäus ist Rekordnationalspieler, Welt- und Europameister. Und hat dabei, man wird ja dankbar mit der Zeit, nie Frisuren getragen wie Mario Gomez.

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Nein, es ist eine Tatsache, auch wenn sie vielleicht für den einen oder anderen schmerzhaft ist: Lothar Matthäus ist wie der HSV. Er vertraut oft den falschen Menschen. Er hält immer ein bisschen zu viel von sich selbst und fliegt damit ständig auf die Schnauze. Das macht ihn manchmal sympathisch. Nicht nur deshalb glaube ich, dass sich die beiden sehr guttun könnten. Auch wenn viele sagen, dass es der totale Wahnsinn wäre, den HSV in diesen Tagen einem abgehalfterten Vereinslosen in die Hände zu geben.

Aber seit gestern stelle ich mir die Frage, was eigentlich der größere Wahnsinn ist: Lothar Matthäus als HSV-Trainer - oder ein dänischer Sportdirektor, der dem HSV einen Vorgang als "Umbruch" verkauft hat, der vornehmlich darin besteht, die Reste-rampe des ehemaligen Vereins leer geräumt zu haben?

Denn so ist es ja leider. Wer als englischer Spieler mit 19 Jahren noch im Reserve-Team herumdümpelt, hat weder den Sprung in die erste Mannschaft geschafft, noch das Interesse eines kleineren englischen Vereins auf sich gezogen.

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Und wenn sich einer wie Jens Lehmann über diese hanebüchene Transferpolitik lustig macht, dann, weil er sie als einer der wenigen durchschaut - lange genug hat er in der Premier League gespielt. Er weiß, dass das Reserveteam-Konzept allenfalls ein Geschäftsmodell ist und keines, das viele tolle Talente in die Welt schickt. Schön, dass der HSV sich damit hat so großzügig bestücken lassen. Da werden wir jetzt alle noch Jahre was von haben.

Was das wirkliche Problem mit Lothar Matthäus ist?

Es sind seine Frauengeschichten. Die werden ihm vorgehalten, seitdem er sie so ausschweifend pflegt. Was seltsam ist, Joschka Fischer wurde trotzdem Minister. Und wenigstens wildert Matthäus nicht in den Reihen der vereinseigenen Spielerfrauen - ich bin 34, ich darf das schreiben. Aus Matthäus' Beuteschema bin ich lange raus, seine nächste Freundin, das schrieb mal die "Süddeutsche Zeitung", müsse der Lothar wohl wickeln.

Nein, Lothar Matthäus mag einfach sein. Aber er ist ehrlich. Keiner der ganz Großen, von Uli Hoeneß bis Franz Beckenbauer, hat je ein schlechtes Wort über ihn verloren - als Trainer. Und ich selbst möchte nicht länger zwangsbedröhnt werden von den Huub Stevens, den Holger Fachs, den Jürgen Röbers dieser Welt.

Nein, ich bin bereit für das Projekt Lothar Matthäus.

Die ganze Fußballwelt würde auf Hamburg schauen. Was das für eine Chance ist.

Iris Hellmuth, 34, ist stellvertretende Leiterin des Abendblatt-Kulturressorts