Nach seiner Niederlage gegen Klitschko bedankte sich der Brite bei den Fans. Als Beweis für sein Handicap stellte er ein Foto ins Netz.

Hamburg. Der britische Profiboxer David Haye hat sich per Twitter bei seinen Fans für die Unterstützung bei seinem Kampf gegen Wladimir Klitschko in Hamburg bedankt. „Verdammt, für jemanden, der so viel redet wie ich, hätte ich viel mehr Hass und Beschimpfungen erwartet“, teilte der 30-Jährige mit, „danke für eure Liebe und die Unterstützung. Das treibt mich weiter an.“

Haye hatte in der Nacht von Sonnabend auf Sonntag durch eine eindeutige Punktniederlage gegen Klitschko den WM-Titel des Verbandes WBA an den jüngeren der Klitschko-Brüder verloren. Der Ukrainer trägt außerdem die WM-Gürtel der Verbände WBO und IBF. Haye machte für seine Leistung unter anderem einen gebrochenen kleinen Zeh im rechten Fuß verantwortlich: „Dadurch konnte ich meine Rechte nicht wie gewohnt schlagen.“ Bereits am Sonntag stellte Haye ein drei Wochen altes Foto mit dem geschwollenen Zeh als beweis für sein Handicap auf seiner Twitterseite ins Netz. (dapd)

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Wladimir Klitschko - Eine Klasse für sich

Die Uhren zeigten halb drei am Sonntagmorgen, als David Haye einen letzten Versuch unternahm, die Show noch einmal an sich zu reißen. Urplötzlich war der entthronte britische Schwergewichts-Boxweltmeister im Presseraum der Imtech-Arena auf den Tisch gestiegen, hinter dem er zuvor 45 Minuten verharrt hatte, und zeigte seinen in einer Flip-Flop-Sandale steckenden rechten Fuß vor. Sein kleiner Zeh, tatsächlich auffällig angeschwollen, sei ein Grund dafür gewesen, dass er seine Mission, "Klitschkos Herrschaft der Langeweile zu beenden", nicht hatte erfüllen können. "Ich habe ihn mir vor drei Wochen im Training gebrochen und konnte wegen der starken Schmerzen nicht die Kraft aus dem rechten Bein holen, die ich für meine Schläge brauche", sagte der 30-Jährige.

Doch auch diese letzte verzweifelte Suche nach einem Weg, dem Herrscher der Königsklasse seine Dominanz streitig zu machen, verpuffte wirkungslos wie alles, was Haye versucht hatte in den Tagen, Wochen, Monaten vor dem Kampf. "Ich bin kein Mediziner", sagte Wladimir Klitschko nach eingehender Betrachtung des Fußes, "aber vielleicht hat dich eine Biene gestochen. Wenn ich dir einen Rat geben darf: Ausreden sind etwas für schlechte Verlierer!" Haye verstummte und fügte, noch auf dem Tisch stehend, an, was er schon im Ring gesagt hatte: "Ich suche keine Ausreden, du hast perfekt geboxt, warst besser und hast verdient gewonnen."

Ein solcher Friedensschluss war nach einer Serie von Beleidigungen unterhalb der Gürtellinie, die das größte Schwergewichtsduell seit Lennox Lewis gegen Mike Tyson im Juni 2002 aufgeheizt hatten, kaum mehr erwartet worden. Kurz nach der Bekanntgabe des Punkturteils, das mit 118:108, 117:109 und 116:110 etwas zu deutlich ausgefallen war, hatte Haye die Hand seines Rivalen geschüttelt, die er im Vorfeld partout ausgeschlagen hatte. Im Gegenzug verzichtete Klitschko auf die Belehrungen bezüglich des Respekts vor anderen Menschen, die er für die Pressekonferenz nach dem Kampf angekündigt hatte. "Haye hat mich tierisch genervt mit dem T-Shirt mit meinem abgeschlagenen Kopf, aber das Ergebnis spricht für sich", sagte er.

Tatsächlich war das, was der 35 Jahre alte Ukrainer über zwölf Runden gezeigt hatte, eine Demonstration der Stärke gewesen, die letztlich eins bewies: Der neue WBA-Weltmeister und alte WBO/IBF-Champion ist eine Klasse für sich. Dass viele der rund 45 000 Zuschauer in der Arena und bis zu 16,28 Millionen bei RTL (Rekordquote für Klitschko-Kämpfe) dennoch enttäuscht waren, lag daran, dass nicht der "Krieg" geboten wurde, den das Kampfmotto "The War" versprochen hatte. Dafür war das, was die Protagonisten zeigten, Fechten mit den Fäusten auf hohem taktischen Niveau, in einer Geschwindigkeit, wie man sie im Schwergewicht selten zuvor gesehen hatte.

Alle Experten waren sich einig gewesen, dass Schnelligkeit der Schlüssel zum Sieg sein würde. Die wenigsten hatten jedoch erwartet, dass der schnellere Mann derjenige sein würde, der 198 cm groß und 110 kg schwer war. Tatsächlich schaffte es Klitschko, den blitzartigen Überfällen Hayes, sieben Zentimeter kleiner und 13,5 Kilo leichter, trotz hängender Deckung aus dem Weg zu gehen. Haye enttäuschte keineswegs, er versuchte das in seiner Macht Stehende, um Klitschko zu gefährden, doch dieser ließ sich nicht überraschen und konnte sich einen Seitenhieb dann doch nicht verkneifen. "Um Schwergewichtschampion zu sein, muss man groß und schwer sein. Haye hat deshalb im Schwergewicht nichts zu suchen."

Dass der 50. Knock-out, den er angekündigt hatte, nicht klappte, war der Zögerlichkeit geschuldet, die Trainer Emanuel Steward seit Jahren anprangert, die aber in Klitschkos DNA verwurzelt ist. "Er hätte häufiger nachsetzen können, er hatte ihn ein paar Mal in der richtigen Position", kritisierte der Coach. Diese Kritik wollten die meisten neutralen Beobachter nicht teilen, vielmehr herrschte unter den zahlreich aus England und den USA angereisten Reportern die Meinung, dass der jüngere der Klitschko-Brüder seinen Platz in der Bestenliste des Schwergewichts verdient habe. "Dieser Kampf war für Wladimir richtungweisend. Er hat alles dafür getan, dass es ein großer Kampf wird, und David hat dagegen nicht das richtige Mittel gefunden", sagte Adam Smith, Sportchef von Hayes britischem TV-Partner Sky. Larry Merchant, Chefkommentator des US-Pay-TV-Senders HBO, sagte: "Das war eine Vorführung. Der Einzige, der Wladimir noch gefährlich werden könnte, ist sein Bruder!"

Diesen Kampf wird es nie geben. Vielmehr wollen der Dreifach-Weltmeister und sein Bruder, WBC-Champion Vitali, 39, zunächst den historischen Triumph genießen, alle vier bedeutenden WM-Gürtel zu besitzen, ehe sie über die Zukunft (siehe Text links) nachdenken. "Ich bin stolz, dass ich Sportgeschichte geschrieben habe", sagte Wladimir, als Haye längst vom Tisch gestiegen war. Es war der letzte Treffer einer für ihn gelungenen Nacht.