Der US-Boxer hat die schwere Niederlage gegen Vitali Klitschko bereits verdaut. Sogar das Essen in der Hamburger Klinik schmeckt ihm.

Hamburg. Sein Weg zur Pressekonferenz im Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) erinnert dann doch ein wenig an den Walk-in am vergangenen Sonnabend in die O2 World acht Kilometer westwärts. Shannon Briggs, 38, der Profiboxer aus den USA, der so furchtbare Prügel von Vitali Klitschko, 39, hat einstecken müssen, durchschreitet den endlos lang scheinenden Krankenhausflur, Ehefrau Alana im rechten, gesunden Arm und zwei Sicherheitskräfte des Krankenhauses an der Seite, mit der Grazie eines Champions, vielleicht nur einen Tick zu forsch, zu aufrecht. Die Einmarschmusik fehlt diesmal, ein paar Patienten drehen sich nach ihm um, aber zumindest die Kameras sind da, zahlreich dazu, die sich ein Bild von seinem Gesicht machen wollen, von den Spuren, die Klitschkos Fäuste hinterlassen haben.

Briggs, Rastalocken, schwarzer Trainingsanzug, Sonnenbrille, liebt diese Art Inszenierungen. Er weiß, was von ihm erwartet wird, und er wird auch am 14. Tag seines Hamburg-Aufenthalts nicht müde, jene Rolle zu spielen, die ihm offenbar am besten liegt, die des Entertainers. Weil er dabei sympathisch wirkt, seine Sätze stets mit einem gefühlten Augenzwinkern rüberkommen, er höflich und zuvorkommend ist, haben Schwestern, Pfleger und Ärzte ihn schon nach wenigen Tagen ins Herz geschlossen. Am Ende der Veranstaltung wird Professor Jörg F. Debatin, der ärztliche Direktor des UKE, Briggs einen blauen Bademantel überreichen, auf dem in weißen Buchstaben beste Genesungswünsche an den derzeit prominentesten Kranken der Klinik gestickt sind: "Good luck Shannon Briggs. Yours UKE-Friends". Freunde fürs Leben glaubt der ehemalige Schwergewichts-Weltmeister in Deutschland gefunden zu haben. "Ich bin the black German", sagt er und: "Ich liebe Deutschland." Er bedankt sich für die vielen Mails und Briefe, die ihn in den vergangenen Tagen erreicht haben, und lobt dann sogar das Essen im Krankenhaus - was selbst Debatin wundert.

Briggs redet zehn Minuten lang ohne Unterbrechung, für die wichtigste Botschaft nimmt er seine Sonnenbrille ab und zieht seine Trainingsjacke zur Begutachtung von Kopf und Körper aus: "Dass ich schwere Verletzungen haben soll, stimmt nicht. Schauen Sie mich an, ich bin wirklich wieder schön", sagt er und wirft seiner Frau einen liebevollen Blick zu. Die lächelt etwas gequält zurück. Sie scheint den Krankenhausaufenthalt ihres Gatten weniger amüsant zu finden. Am liebsten wäre es ihr, sagt sie später leise, der Kampf gegen Vitali Klitschko wäre der letzte ihres Mannes gewesen. Shannon Briggs kennt ihre Gedanken, aber er sagt: "Ob ich aufhöre, weiß ich noch nicht. Darüber werden wir in der Familie in den nächsten Wochen in aller Ruhe reden."

Die wird er haben. Ans Boxen wird für ihn in diesem Jahr nicht mehr zu denken sein. Während Briggs' Kopfverletzungen, Knochenbrüche und eine leichte Gehirnerschütterung nach Einschätzung der Ärzte "nicht dramatisch" sind und keine Spätfolgen befürchten lassen, soll der linke Oberarm operiert werden. Die Bizepssehne ist im Bereich des linken Ellenbogens abgerissen und muss angenäht werden. Der Unfall passiert in der ersten Runde des WM-Fights und hindert Briggs fortan, seinen Kampfplan durchzuführen. "Trotz dieser erheblichen Einschränkung kam für mich Aufgeben nie in Betracht. Mein Trainer wollte nach der siebten Runde das Handtuch schmeißen. Das habe ich ihm verboten. Im Ring bin ich der Chef, zu Hause meine Frau. Ich habe bis zuletzt daran geglaubt, Vitali ausknocken zu können. Vitali ist aber ein großer Champion. Und es war ein toller Fight. Ich würde so etwas gern noch einmal machen, dann aber mit zwei Armen", sagt er. Seine Frau zuckt bei diesen Worten zusammen.

Der Unfallchirurg Jan Philipp Petersen will Briggs in den nächsten Tagen operieren. Weil Briggs' Arm weiter stark geschwollen ist, wird der Routineeingriff ein zweites Mal verschoben, auf jetzt Freitag. Drei, vier Tage muss Briggs danach im UKE bleiben, "von mir aus noch länger", sagt er. "Mir gefällt es hier." Deshalb hat er angekündigt, in sechs Wochen zur Nachuntersuchung zurück nach Hamburg zu kommen. Notwendig wäre das nicht, sagt UKE-Chef Debatin, das könne er auch in den USA machen. Dort kennen ihn die wenigsten, in Deutschland bereits sehr viele. Heute Abend tritt Briggs in der Kerner-Show bei Sat.1 auf.