Die Neonazi-Mordserie beschäftigt die jungen Menschen im Kreis. Sie engagieren sich innerhalb und außerhalb des Unterrichts.

Ahrensburg. Fast siebzig Jahre sind seit dem Ende des nationalsozialistischen Regimes in Deutschland vergangen. Doch heute werden wieder rechte Gruppen wie die Autonomen Nationalen Sozialisten Stormarn laut, fordern zu Demonstrationen auf und werben für ihre Aktivitäten (wir berichteten). Schulen im Kreis wehren sich gegen den rechten Einfluss. Im Unterricht wird die nationalsozialistische Geschichte behandelt, Schulen beteiligen sich an antirassistischen Projekten und diskutieren über Regelungen, die Kleidung wie die der rechten Modemarke Thor Steinar vom Schulhof verbannen könnten. Viel wird unternommen, aber ob es tatsächlich genug ist - darüber gibt es geteilte Meinungen.

"Im Geschichtsunterricht sowie in Wirtschaft und Politik gehen die Lehrer auf Rassismus und Nationalsozialismus ein", sagt Frank Lölling, Leiter der Gemeinschaftsschule Reinbek. Bisher habe die Schule allerdings "das außerordentliche Glück" gehabt, dass es noch nie Ärger mit Rechtsradikalen gegeben habe, sagt Lölling, der seit fünf Jahren Rektor ist. "Trotzdem konfrontieren wir die Schüler natürlich im Unterricht mit diesem Thema."

Die Entwicklung in Glinde nach der Eröffnung des rechten Modeladens Tønsberg Mitte September verfolgt Lölling. "Seitdem habe ich auch intensiver meinen Blick auf unserem Schulhof schweifen lassen, ich habe aber keine Schüler gesehen, die diese Kleidung tragen." Sollte dies passieren, sagt Lölling, würde er den betreffenden Jugendlichen bitten, die Kleidung nicht mehr anzuziehen.

Im Glinder Schulzentrum gibt es derzeit eine Ausstellung zum Thema

Auch in der Glinder Sönke-Nissen-Gemeinschaftsschule und dem Glinder Gymnasium seien bisher noch keine Schüler mit Kleidung von Thor Steinar aufgefallen, sagt Gemeinschaftsschul-Leiter Sascha Plaumann. Die Schulen hatten vergangene Woche angekündigt, sie dächten über eine Verbotsklausel in der gemeinsamen Hausordnung nach. Rechtlich sei das aber schwierig, erklärt Plaumann nun. "Aus Erfahrung wissen wir außerdem, dass reine Verbote nicht viel bringen." Die Schüler sollten sich vielmehr "inhaltlich" mit dem Thema befassen. "Für uns als Schule ist es wichtig, dass die Jugendlichen sich kritisch damit auseinandersetzen und eine gefestigte Meinung entwickeln." Deshalb haben die Schulen jetzt gemeinsam eine Ausstellung der Friedrich-Ebert-Stiftung zu dem Thema "Demokratie stärken - Rechtsextremismus bekämpfen" im Forum des Schulzentrums eröffnet. Plaumann: "Da die Exponate hier in der Schulstraße stehen, kommt jeder einzelne Schüler damit in Kontakt." Es seien extra einige Jugendliche ausgebildet worden, die nun die anderen Schüler durch die Ausstellung führten. "Wenn die Schüler Fragen zu aktuellen Geschehnissen wie zum Beispiel den Döner-Morden haben, gehen die Lehrer selbstverständlich auch im Unterricht darauf ein", erklärt Plaumann.

Doch das scheint nicht an allen Schulen der Fall zu sein. Oft fehle es dafür an Zeit, sagt Lukas Siefert, der den 12. Jahrgang der Reinbeker Sachsenwaldschule besucht. "Wir haben im Unterricht bisher noch gar nicht über die aktuellen Ereignisse gesprochen. Dabei würde ich gern mehr über das Thema wissen." Auch seine Mitschülerin Wiebke Sieler, 18, will mehr erfahren. "Jeder sollte wissen, was so in der Welt passiert. Es ist wichtig, dass die Jugend etwas von den Vorfällen mitbekommt, damit sie daraus lernen kann."

Im Ahrensburger Gymnasium Stormarnschule sieht es dagegen anders aus. "Aktuelle Themen wie die Döner-Morde behandeln wir im Wirtschafts- und Politikunterricht. Außerdem unterhalten wir Schüler uns auch in der Pause darüber", sagt Maurice Simon, 18, Schüler des 13. Jahrgangs. Er fürchtet, Deutschland werde künftig in den Medien "verteufelt". Sein Mitschüler Bernd Strehl sieht das genauso. "Würde es sich um eine andere Organisation handeln, wäre das auch schlimm, aber in diesem Fall ruft die nationalsozialistische Bewegung die dunkle Vergangenheit Deutschlands wieder in Erinnerung", sagt der 18-Jährige.

Persönlich kenne sie niemanden, der rassistische Gedanken verfolge, ergänzt Paula Bergengruen, 18. "Aber ich denke, dass Menschen, die daran Interesse haben, sehr leicht übers Internet Unterstützung finden. Dort können sie Kontakte knüpfen."

An der Reinfelder Immanuel-Kant-Gemeinschaftsschule wollen Schüler und Kollegium den Umgang mit Rechtsextremismus nicht auf die Unterrichtsstunden beschränken. Deshalb bereitet die Schule sich zurzeit darauf vor, Mitglied im bundesweiten Bündnis "Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage" zu werden. "Wie es auch im Leitbild unseres Schulprogramms steht, wollen wir unsere Schüler in einer langfristigen Linie demokratisch erziehen", sagt Rektor Michael Scholz. Die Ahrensburger Selma-Lagerlöf-Gemeinschaftsschule ist bereits Mitglied in dem Bündnis. Faschismus und Rassismus seien auch hier Thema im Unterricht. "Darüber hinaus besuchen und organisieren wir thematisch passende Lesungen und machen Sonderveranstaltungen an Gedenktagen", sagt Schulleiter Herbert Janßen.

Eine Reinfelder Schule will dem Anti-Rassismus-Bündnis beitreten

Solche Maßnahmen sind Voraussetzung dafür, dass eine Schule an dem Projekt teilnehmen kann. "Wir werden eine Lenkungsgruppe etablieren, die Vorschläge erarbeitet, sodass wir uns in ein bis zwei Jahren dem Bündnis anschließen können", sagt Scholz. Künftig sei dann zum Beispiel die Realisierung eines bestimmten Projektes pro Jahr verpflichtend. "Diese Projekte werden sich nicht ausschließlich mit Rassismus beschäftigen, sondern zum Beispiel auch mit Zivilcourage", sagt der Schulleiter. Die Arbeit betreffe nicht nur das Thema Neonazis. "Im Grunde geht es mehr darum, die Werte unserer Verfassung zu unterrichten."

Scholz ist überzeugt, dass es an jeder Schule im Kreis einzelne Schüler gibt, die "im Dunstkreis des neonazistischen Denkens" verankert seien. "Teilweise ist das natürlich einfach pubertäres Verhalten, weil die Jugendlichen wissen, dass sie auf diese Art extrem provozieren können." Gefährlich werde es dann, wenn die Schüler tatsächlich Kontakt zu Drahtziehern der rechten Szene hätten. Als Schule Mitglied im antirassistischen Bündnis zu sein, heiße natürlich nicht, dass man so etwas verhindern könne. "Wir wollen aber auf rassistisches Denken reagieren." Man werde - mit pädagogischen Mitteln - alle Hebel in Bewegung setzen, um zu verhindern, dass Rassismus einen Platz an der Schule bekomme.

Online-Dossier mit Videos und Hintergründen zur rechtsterroristischen Mordserie unter www.abendblatt.de/brauner-terror