Die mutmaßliche Rechtsextremistin soll Mitglied der Terrorzelle NSU gewesen sein. Der BGH-Richter gab einem Antrag der Bundesanwaltschaft statt. Die Polizei fasste am Sonntag zudem einen mutmaßlichen Neonazi-Komplizen.

Hamburg/Berlin/Karlsruhe. Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs (BGH) hat am späten Sonntagabend Haftbefehl gegen die 36-jährige Beate Z. wegen des dringenden Verdachts der Mitgliedschaft in der terroristischen Vereinigung „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) erlassen. Damit gab der BGH-Richter einem Antrag der Bundesanwaltschaft statt, wie die Strafverfolgungsbehörde am Sonntagabend in Karlsruhe mitteilte.

Der Haftbefehl gegen Beate Z. lautet bislang nur auf schwere Brandstiftung. Deswegen saß die 36-Jährige seit 9. November auch in Untersuchungshaft.

Die NSU soll für die Morde an einer Heilbronner Polizistin im April 2007 und die sogenannten Döner-Morde an acht türkischstämmigen Männern und einem Griechen in den Jahren 2000 bis 2006 verantwortlich sein. Gegen Beate Z. bestand bisher lediglich der Anfangsverdacht der Mitgliedschaft in der rechtsextremen Terrorzelle sowie des Mordes, des versuchten Mordes und der schweren Brandstiftung.

Die Bundesanwaltschaft sieht Beate Z. als Komplizin der nahe Eisenach tot aufgefundenen Uwe B. und Uwe M. an. Das Haus in Zwickau, in dem die beiden Männer mit Beate Z. gelebt hatten, wurde am 4. November bei einer Detonation zerstört. Die Frau soll die Explosion ausgelöst haben. Beate Z. wurde nach Angaben der Bundesanwaltschaft mit Blaulicht auf das Gelände des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe gefahren.

Auf den Zusammenhang zwischen dem gewaltsamen Tod der Heilbronner Polizistin und der Mordserie an ausländischen Geschäftsleuten waren die Ermittler bei der Durchsuchung der Zwickauer Wohnung von Uwe B. und Uwe M. gestoßen. Dort fanden Beamte jene Pistole, mit der die neun Männer erschossen worden waren. Die Leichen von Uwe B. und Uwe M. waren in einem ausgebrannten Wohnmobil bei Eisenach gefunden worden waren. In dem Wohnmobil lagen auch die Dienstwaffen der getöteten Heilbronner Polizistin und ihres schwer verletzten Kollegen.

Nach der Festnahme eines weiteren Verdächtigen warnte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich am Sonntag vor „einer neuen Form des rechtsextremistischen Terrors“. Der CSU-Politiker kündigte an, dass alle ungeklärten Straftaten mit fremdenfeindlichen Hintergrund seit 1998 noch einmal daraufhin überprüft werden sollen, ob sie der Mordserie zugeordnet werden können. Auch Kanzlerin Angela Merkel zeigte sich besorgt.

Am Sonntag ließ sie den 37-jährigen Holger G. in Hannover festnehmen. Nach Durchsuchung seiner Wohnung habe sich der Tatverdacht gegen ihn bekräftigt, sagte der kommissarische Generalbundesanwalt Rainer Griesbaum der ARD. Eine frühere Aussage, wonach dort unter anderem das Drehbuch zu einem Propagandafilm und eine Vorrichtung für eine verdeckte Schussanlage sichergestellt worden seien, zog Griesbaum dem Südwestrundfunk (SWR) zufolge zurück. Die Gegenstände wurden demnach in der Zwickauer Wohnung gefunden. Der Generalbundesanwalt begründete die Panne dem SWR zufolge mit einem internen Missverständnis.

Wie unterdessen bekannt wurde, sind die DVDs mit dem Propagandafilm doch teilweise verschickt worden. Bislang hieß es, in der Zwickauer Wohnung der mutmaßlichen Täter seien voradressierte Umschläge an verschiedene Medien sowie islamische Vereine gefunden worden, die lediglich zum Versand vorbereitet waren. Nun teilte der Landesvorsitzende der Linken, Matthias Höhn, mit, dass das Bekennervideo in dieser Woche in einem Parteibüro der Linken in Sachsen-Anhalt eingegangen sei. Die DVD sei bereits am Freitag Landesinnenminister Holger Stahlknecht (CDU) übergeben worden. Auch im bayerischen Innenministerium ging die DVD nach Angaben eines Sprechers ein.

Friedrich betonte, jetzt müsse herausgefunden werden, ob es hinter den vier Verdächtigen noch weitere Personen gibt, vielleicht sogar ein Netzwerk, und welche Dimension die Taten haben. Er habe angeordnet, dass eine Arbeitsgruppe mit dem Bundesverfassungsschutz gegründet werde, „um eine enge Verzahnung der Erkenntnisse zu gewährleisten“. Auch Merkel forderte eine umfassende Aufklärung. „ “Wir müssen vermuten, dass es sich um Rechtsextremismus in schlimmster Form handelt„, sagte Merkel in der ARD-Sendung “Bericht aus Berlin„. Es sei beschämend, dass so etwas in unserem Land passiere. “Und wir werden das umfassend aufarbeiten. Das sind wir denen, die ums Leben gekommen sind, schuldig„, sagte Merkel weiter.

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) stellte eine umfassende Aufklärung der Mordserie in Aussicht. Seit Freitag ermittle die Bundesanwaltschaft mit Hochdruck in dieser Sache, sagte die Ministerin. Auch begrüßte sie, dass sich die Parlamentarische Kontrollkommission des Themas annehmen werde. Der Vorsitzende des Gremiums, der SPD-Politiker Thomas Oppermann, hatte eine Sondersitzung angekündigt.

Leutheusser-Schnarrenberger sagte, sie gehe davon aus, dass die Vorgänge darüber hinaus auch in den Bundesländern aufgeklärt werden müssten. Unter anderem solle die Rolle der dort eingesetzten V-Leute untersucht werden.

Oppermann verlangte in “Bild am Sonntag„ Auskunft darüber, “was die Behörden wussten und wie solche Straftaten in Zukunft besser verhindert werden können„. Der Rechtsexperte der FDP-Bundestagsfraktion, Hartfrid Wolff, verwies am Rande des FDP-Parteitags darauf, dass es schon 1994 erste Ermittlungen gegeben habe. Der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele forderte die zuständigen Landesämter für Verfassungsschutz in Thüringen und Sachsen auf offenzulegen, ob sie die Tätergruppe unterstützten oder “deren Abdriften in den Terror verschliefen„. Linke-Chefin Gesine Lötzsch forderte, dass “die zwielichtige Rolle des Verfassungsschutzes„ umgehend aufgeklärt werden müsste.

Auch der Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, André Schulz, zeigte sich verwundert darüber, wie schnell sich die Bundesanwaltschaft “nach der Explosion des Hauses in Zwickau und dem Auffinden der Leichen der beiden Täter zur Gruppierung der Täter festgelegt hat und wie schnell über zwei Dutzend Aktenordner mit Erkenntnissen über die Täter präsentiert werden konnten„. Er sei gespannt auf die Ermittlungen, “speziell zur Rolle des Verfassungsschutzes„.

Das Innenministerium in Thüringen wies den Vorwurf nachlässiger Ermittlungen unterdessen zurück. Der Freistaat sei nach derzeitigem Stand eines der wenigen Länder, in dem “die Behörden ohne Chance waren, Spuren aufzunehmen„, da die Verdächtigen dort nach 1998 nicht mehr aktiv gewesen seien, sagte ein Sprecher des Ministeriums. Dennoch würden alle früher gesammelten Informationen erneut überprüft. (dapd)